Überschattet vom Mord an einem Kandidaten und unter erhöhten Sicherheitsbedingungen haben die Ecuadorianer über einen neuen Präsidenten abgestimmt. Insgesamt bewarben sich acht Kandidaten um das höchste Amt in dem von einer Welle der Gewalt erschütterten südamerikanischen Land.
Als Favoritin bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl ging die Linkspolitikerin Luisa González aus dem Lager des wegen Korruption verurteilten Ex-Präsidenten Rafael Correa (2007 bis 2017) ins Rennen, gefolgt von dem indigenen Umweltaktivisten Yaku Pérez und dem deutschstämmigen früheren Vizepräsidenten Otto Sonnenholzner.
Neben dem Staatsoberhaupt standen auch die Abgeordneten der Nationalversammlung des 17 Millionen-Einwohner-Landes zur Wahl. Die Wahllokale sollen bis Mitternacht deutscher Zeit geöffnet sein, erste Ergebnisse werden am frühen Montagmorgen erwartet.
Große Sicherheitsvorkehrungen
Rund zehn Tage nach der Ermordung des Oppositionskandidaten Fernando Villavicencio sagte die Präsidenten der Wahlbehörde Ecuadors, Diana Atamaint, zum Wahlauftakt: »Trotz der Ereignisse der vergangenen Wochen, die den Ecuadorianerinnen und Ecuadorianern großes Leid zugefügt haben (...) werden uns diese Gewaltakte nicht aufhalten, denn Frieden und Demokratie werden von uns allen verteidigt.«
Streitkräfte, Polizei und Wahlbehörde hätten einen Sicherheitsplan in die Wege geleitet, der friedliche, geordnete und sichere Wahlen garantiere. »Heute gewinnt die Demokratie, heute gewinnt Ecuador.«
Dennoch sei die Lage sehr angespannt, sagte der politische Analyst Andrés González der Deutschen Presse-Agentur. »Die Wahlen sind sehr gefährlich, es herrscht ein Klima der Angst.« Kandidaten gingen mit kugelsicheren Westen und umringt von Sicherheitskräften zum Wählen, das Militär zeigte mit Zehntausenden Soldaten in den Straßen und in Wahllokalen verstärkte Präsenz.
Die Sicherheitsvorkehrungen in acht Wahllokalen der Provinz Esmeraldas im Nordwesten des Landes seien verstärkt worden, weil diese in Konfliktgebieten liegen, berichtete die Zeitung »El Universo«. Militärs würden dort die Wahlunterlagen aushändigen.
Nach einer Wahlkampfveranstaltung erschossen
Der Oppositionspolitiker und frühere Investigativjournalist Villavicencio war vor eineinhalb Wochen nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito erschossen worden. Die Regierung machte das organisierte Verbrechen für die Tat verantwortlich. Die Partei Construye (»Baue«) präsentierte den Journalisten Christian Zurita als neuen Kandidaten.
In Esmeraldas, an der Pazifikküste Ecuadors und der Grenze zu Kolumbien strategisch gelegen, wurde am Montag ein weiterer Lokalpolitiker ermordet. Ecuador dient als Transitland für Kokain, Verbrechersyndikate kämpfen um die Routen für den Drogenhandel. Villavicencio hatte angekündigt, hart gegen Korruption und Kriminalität durchzugreifen.
»Wir werden den Kurs unseres Ecuadors ändern«, schrieb der deutschstämmige Präsidentschaftskandidat und Ex-Vizepräsident Sonnenholzner am Sonntag auf der Plattform X, die früher Twitter hieß.
Auch Kandidatin González setzte auf die Karte Veränderung: »Wählt mit dem Glauben, dass schon bald bessere Tage mit Sicherheit und Wohlstand kommen werden. Heute werden wir Geschichte schreiben!«
Die vorgezogenen Präsidenten- und Parlamentswahlen waren notwendig geworden, weil der konservative Staatschef Guillermo Lasso inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens wegen mutmaßlicher Unterschlagung gegen ihn die Nationalversammlung aufgelöst hatte. Erreicht keiner der Präsidentschaftskandidaten die absolute Mehrheit oder mindestens 40 Prozent der Stimmen mit zehn Prozentpunkten Vorsprung auf den Zweitplatzierten, kommt es am 15. Oktober zur Stichwahl.
Zudem standen zwei Volksentscheide zu Ölförderung im Yasuní-Nationalpark im Amazonasgebiet und Bergbau in den Nebelwäldern des Chocó Andino zur Abstimmung. Ecuador ist bei Touristen nicht zuletzt wegen des Amazonaswaldes, der vielen aktiven Vulkane, der Strände und der für ihre Tierwelt bekannten Galápagos-Inseln beliebt.
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