Das starre deutsche Namensrecht soll nach dem Willen der Bundesregierung flexibler werden. So sollen Paare und deren Kinder mehr Freiheit bei der Wahl des Nachnamens erhalten, wie das Kabinett am Mittwoch in Berlin beschloss. Künftig sollen etwa beide Ehepartner einen Doppelnamen führen können.
»Das deutsche Namensrecht ist offen gestanden mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit in diesem Land nicht mehr kompatibel«, sagte der federführende Justizminister Marco Buschmann (FDP). »Es gibt viele Paare, die sich ein gleichberechtigtes Zusammenleben wünschen, das auch zum Ausdruck bringen wollen, beispielsweise echte Doppelnamen führen wollen. Das machen wir möglich.«
Die Neuerungen sollen nach dem Willen der Bundesregierung zum 1. Mai 2025 in Kraft treten, damit die Standesämter genug Zeit zur Umstellung haben. Was übrigens nicht geplant ist: Eine Verschmelzung von Namen, bei der etwa »Müller« und »Özcan« zu »Mülcan« oder »Özler« würden.
Mehr Doppelnamen
Wenn Frau Müller und Herr Özcan heiraten, sollen künftig beide einen Doppelnamen führen können - und zwar egal in welcher Reihenfolge und ob mit oder ohne Bindestrich. Auch wenn einer von beiden ursprünglich einen anderen Geburtsnamen hatte - also etwa Frau Müller vor ihrer ersten Heirat Schmidt hieß - kann dieser Teil des neuen Doppelnamens werden. Auch Bestandteile schon geführter Doppelnamen können Teil des neuen Doppelnamens werden.
So oder so gilt aber: Endlose Namensketten soll es weiterhin nicht geben, bei zwei Namen ist Schluss. Wer schon einen Dreifachnamen wie Müller-Meier-Özcan hat, darf ihn allerdings behalten. Beide Partner sollen auch keine unterschiedlichen Doppelnamen führen dürfen.
Kinder von Eheleuten sollen den gemeinsamen Doppelnamen nach der Geburt ebenfalls erhalten. Kinder sollen übrigens auch dann einen Doppelnamen bekommen können, wenn ihre Eltern keinen führen und unabhängig davon, ob diese verheiratet sind. Gemeinsame Ehenamen bleiben aber verheirateten Paaren oder Menschen in eingetragenen Lebenspartnerschaften vorbehalten.
Bisher war all das nicht möglich. Nach geltendem Recht kann nur ein Ehepartner einen Doppelnamen führen, Kinder können in der Regel keinen erhalten.
Änderung des Geburtsnamens als Volljähriger
Erwachsene, die ihren Namen ändern wollen, sollen das in Zukunft einmalig leichter tun können - vorausgesetzt, sie nutzen dabei Namen ihrer Eltern. Bisher braucht man dafür einen wichtigen Grund. Sie können dabei künftig vom Namen des einen Elternteils zu dem des anderen wechseln oder einen Doppelnamen aus den Namen beider annehmen. Genauso sollen Menschen, die als Kind einen Doppelnamen erhalten haben, diesen auf nur einen seiner Bestandteile verkürzen.
Stief- und Scheidungskinder
Kinder sollen ihren Nachnamen im Falle einer Trennung der Eltern leichter ändern können. So sollen Stiefkinder, die den Namen eines Stiefelternteils erhalten haben, die Namensänderung leichter rückgängig machen können, wenn ihr leibliches Elternteil sich hat scheiden lassen oder wenn das Kind nicht mehr im Haushalt der Stieffamilie lebt.
Wenn Vater oder Mutter den Ehenamen nach einer Scheidung ablegt, soll ein Kind, das bei diesem Elternteil lebt, unkompliziert den gleichen Nachnamen erhalten können. Bei Kindern über fünf Jahren soll das deren Einwilligung voraussetzen, grundsätzlich soll es auch keine Änderung gegen den Willen des anderen Elternteils geben können.
Adoption als Erwachsener
Wer als Erwachsene oder Erwachsener adoptiert wird, soll künftig seinen bisherigen Namen behalten können, wenn sie oder er vor der Adoption widerspricht. Bisher geht das nicht, allenfalls ein Doppelname wäre möglich beim Vorliegen schwerwiegender Gründe. Ein Doppelname aus dem bisherigen Namen und dem Adoptivnamen soll möglich bleiben, und zwar ohne schwerwiegende Gründe.
Namensendungen für nationale Minderheiten
Namensrechtliche Besonderheiten nationaler Minderheiten und ausländische Namenstraditionen sollen mehr Raum bekommen. So soll Sorbinnen die weibliche Abwandlung ihres Familiennamens ermöglicht werden, ebenso bei slawischen Familiennamen. Aus »Kral« würde dann »Kralowa«, erklärte das Ministerium. Das Gleiche gilt auch für Kinder aus solcher Familien.
Dänen und Friesen sollen ebenfalls Nachnamen, die ihren jeweiligen Traditionen entsprechen, bilden können. Für Friesen sind das Geburtsnamen, die aus dem Vornamen eines Elternteils gebildet werden, zum Beispiel Jansen in Abteilung von Jan als Vorname des Vaters oder der Mutter, so das Ministerium. Für Dänen sind das Geburtsnamen, die den Familiennamen eines nahen Angehörigen wie des Großvaters umfassen und keinen Bindestrich enthalten. Ein Beispiel wäre Albertsen Christensen.
Nicht alle Namensänderungen sind erfasst
Bei der Reform geht es nur um Namensänderungen mit familiärem Bezug, die im bürgerlichen Recht geregelt sind, also Fragen, die sich durch Heirat, Scheidung, Geburt oder Adoption ergeben. Das so genannte Selbstbestimmungsgesetz, bei dem Menschen ihre Namen mit dem Geschlechtseintrag ändern lassen können, betrifft hingegen öffentliches Recht.
Die neuen Regelungen sollen für deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gelten und für Ausländer, wenn ein Ehegatte oder Elternteil von ihnen in Deutschland lebt.
Die Praxis: Wer meist wessen Namen annimmt
In einer heterosexuellen Ehe nehme nach ihren Forschungen in 71,9 Prozent der Fälle die Frau den Namen des Mannes an, sagte die Sprachforscherin Anne Rosar in einem Interview mit der »Zeit«. Nur 16,2 Prozent der Paare entschieden sich für getrennte Ehenamen, 6,2 Prozent für einen Begleitnamen mit Doppelstrich und nur 5,7 Prozent der Männer nähmen den Namen ihrer Frau an.
© dpa-infocom, dpa:230823-99-933447/2