Logo
Aktuell Ausland

Journalistin will nach Fernsehprotest in Russland bleiben

Wegen ihrer Protestaktion gegen den Ukraine-Krieg im russischen Fernsehen wurde sie als Heldin gefeiert. Jetzt fürchtet die Journalistin Marina Owssjannikowa um ihr Leben.

Marina Owssjannikowa
Marina Owssjannikowa fürchtet nach ihrer Protestaktion im russischen Fernsehen um ihr Leben. Foto: Twitter
Marina Owssjannikowa fürchtet nach ihrer Protestaktion im russischen Fernsehen um ihr Leben.
Foto: Twitter

Die russische TV-Journalistin, die während der Nachrichten im Staatsfernsehen mit einem Plakat gegen Russlands Krieg in der Ukraine protestiert hat, will trotz Angst um ihre Sicherheit ihr Land nicht verlassen.

»Wir werden in Russland bleiben«, sagte Marina Owssjannikowa in einem Interview des »Spiegel« über sich und ihre beiden Kinder - sie hat einen 17 Jahre alten Sohn und eine 11 Jahre alte Tochter. Zwar mache sie sich große Sorgen, aber: »Ich bin Patriotin, mein Sohn (ist) ein noch viel größerer. Wir wollen auf keinen Fall weg, nirgendwo hin auswandern.« Dabei wisse sie: »Mein Leben hat sich für immer verändert, das begreife ich erst langsam. Ich kann nicht mehr zurück in mein altes Leben.«

Die Redakteurin des russischen Staatsfernsehens hatte am Montagabend in den Hauptnachrichten des Ersten Kanals ein Protestplakat gegen den Krieg in der Ukraine in die Kamera gehalten. Auf dem Plakat war auch zu lesen, dass die Zuschauer »hier belogen« werden. Zudem bezeichnete Owssjannikowa den russischen Angriff auf die Ukraine in einem separat aufgenommenen Video als Verbrechen. In russischen Staatsmedien ist es untersagt, von einem Krieg zu sprechen. Die Staatsführung nennt das Vorgehen im Nachbarland eine »militärische Spezialoperation« zur »Entmilitarisierung« und zur »Entnazifizierung« der Ukraine.

Derzeit verstecke sie sich bei Freunden, sagte Owssjannikowa dem »Spiegel«. Sie habe große Angst vor den Folgen ihres Handelns und bange um ihre Sicherheit. Aber sie »habe bereits den Punkt überschritten, an dem es kein Zurück mehr gibt«, sagt die Journalistin. »Ich kann nun offen und öffentlich so sprechen.« Zum Zeitpunkt ihrer Protestaktion habe sie nicht an die weitreichenden Konsequenzen gedacht, sagte Owssjannikowa. »Sie werden mir nun bewusst. Jeden Tag mehr und mehr«, sagte die 44-Jährige.

Owssjannikowa war für ihre Aktion bereits am Dienstag zu einer Geldstrafe von 30 000 Rubel, rund 226 Euro, verurteilt worden. Möglicherweise droht ihr aber noch eine weitere Strafe: Es seien Ermittlungen wegen der angeblichen Verbreitung von Lügen über Russlands Streitkräfte aufgenommen worden, meldete die Staatsagentur Tass unter Berufung auf eine Quelle bei den Ermittlungsbehörden. Befürchtet wurde, dass Owssjannikowa doch noch nach dem neuen Mediengesetz belangt werden könnte, das bis zu 15 Jahre Haft vorsieht.

Das Bewusstsein für eine Realität jenseits der offiziellen Sicht der russischen Staatsführung habe sie auch im Umgang mit Auslandsnachrichten und ausländischen Medien entwickelt. »Ich verstehe, dass jeder Staat für seine Interessen kämpft, wir uns in einem Informationskrieg befinden«, sagte die Journalistin. »In unserem Land hatte die Staatspropaganda aber schon vor dem Krieg in der Ukraine schreckliche Formen angenommen. Jetzt mit Beginn des Krieges ist es unmöglich, die Propaganda zu ertragen.«

Nach ihrer Aktion werde ihr Leben nun »ganz anders« werden, meint Owssjannikowa, auch wenn sie nicht wisse, was wird. »Planen kann sowieso niemand mehr.« Der russische Krieg gegen die Ukraine habe »alle Pläne zerstört«.

Interview beim Spiegel

© dpa-infocom, dpa:220317-99-551931/3