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Japan setzt in unsicheren Zeiten auf politische Stabilität

Seit Jahrzehnten regieren die Liberaldemokraten Japan fast ununterbrochen. Erneut haben sie deutlich gewonnen. An der niedrigen Wahlbeteiligung ändert jedoch selbst der Mord an Ex-Premier Abe nichts.

Japans Premierminister Kishida
Japans Premierminister Fumio Kishida (6.v.l) hat mit seiner Liberaldemokratischen Partei die Oberhauswahl klar gewonnen. Foto: kyodo
Japans Premierminister Fumio Kishida (6.v.l) hat mit seiner Liberaldemokratischen Partei die Oberhauswahl klar gewonnen.
Foto: kyodo

Japans Wähler haben der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) von Ministerpräsident Fumio Kishida einen haushohen Sieg beschert und damit für politische Stabilität gesorgt.

Die LDP sicherte sich bei der Oberhauswahl auch ohne ihren Koalitionspartner Komeito die alleinige Mehrheit, wie japanische Medien nach Auszählung aller Stimmen berichteten. Demnach kam die Partei zwei Tage nach dem Attentat auf den früheren Partei- und Regierungschef Shinzo Abe auf 63 der 125 zur Wahl stehenden Sitze. Die Wahlbeteiligung lag zwar mit 52 Prozent knapp über der der vorherigen Wahl, ist aber dennoch eine der bisher niedrigsten. Dass die regierende Koalition von Kishida bei der Wahl siegen würde, war schon vor dem Attentat erwartet worden.

Große Aufgaben stehen bevor

Kishida hat damit eine solide Machtbasis, um die gewaltigen Herausforderungen seines Landes anzugehen. Dazu gehört etwa Japans wirtschaftliche Erholung, die von der Corona-Pandemie durch steigende Energie- und Lebensmittelpreise bedroht ist. Zudem haben Russlands Invasion in der Ukraine, Chinas wachsendes Machtstreben und Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm die Sicherheitslage verschärft. Strukturprobleme wie die rasante Überalterung der Gesellschaft angesichts niedriger Geburtenraten, der Arbeitskräftemangel, Landflucht und die horrende Staatsverschuldung bleiben ungelöst.

Durch den haushohen Wahlsieg des Regierungslagers dürfte zudem die Debatte um die von der LDP seit langem angestrebte Änderung der pazifistischen Nachkriegsverfassung weiter an Fahrt gewinnen. Dies war das politische Lebensziel des ermordeten Abe gewesen. Das Lager der Befürworter sicherte sich hierfür die nötige Zweidrittel-Mehrheit. Neben den Koalitionsparteien befürworten die oppositionelle Democratic Party for the People und die konservative Nippon Ishin ebenfalls eine Änderung. Letztere konnte ihre Sitzzahl erhöhen, während die bislang größte Oppositionspartei, die Konstitutionelle Demokratische Partei, geschwächt aus der Wahl ging.

Kritiker sprechen von alternativeloser Wahl

Viele Bürger sehen in der zersplitterten Opposition keine echte Alternative zur LDP, weswegen manche Kritiker auch von einem Einparteienstaat sprechen. Die LDP regiert mit zwei kurzen Unterbrechungen seit ihrer Gründung 1955. Die LDP profitiert nach Meinung von Experten letztlich von der weit verbreiteten Politikverdrossenheit, denn sie hat eine treue Stammwählerschaft. Eine weitere Rolle spiele der starke Einfluss der LDP auf die Medien.

Lange Zeit hatten in Japan die Regierungschefs im Jahresrhythmus gewechselt. Das änderte sich erst unter dem ermordeten Abe, der für Stabilität in Japans Politik sorgte. Die drängenden Strukturprobleme konnte aber auch er nicht lösen. Sein Nachfolger Kishida hatte bei seinem Amtsantritt vor rund neun Monaten einen »neuen Kapitalismus« versprochen, der die verschärfte Kluft zwischen Arm und Reich verringern soll. Damit distanzierte er sich vom jahrelangen wirtschaftspolitischen Neoliberalismus unter Abe und grub mit seinem Ruf nach wirtschaftlicher Umverteilung der Opposition das Wasser ab.

© dpa-infocom, dpa:220711-99-977303/6