TOKIO. Japan hat den Corona-Notstand für das gesamte Inselreich vorzeitig aufgehoben. Regierungschef Shinzo Abe erteilte am Montag die Freigabe auch für den Großraum Tokio sowie die nördlichste Provinz Hokkaido.
Für die übrigen Landesteile hatte der Rechtskonservative den Notstand bereits zuvor aufgehoben. Der Notstand war ursprünglich bis zum 31. Mai angesetzt worden, wobei das keine harten Ausgangsbeschränkungen wie in einigen europäischen Ländern bedeutete. Die Bürger in Japan wurden nur gebeten, möglichst zu Hause zu bleiben.
In gerade einmal eineinhalb Monaten habe man die Lage so gut wie unter Kontrolle gebracht, sagte der Regierungschef. Er rief die Bevölkerung jedoch auf, angesichts des Risikos einer zweiten Infektionswelle vorsichtig zu bleiben. Neben dem Tragen von Masken sollten die Bürger weiter Abstand zueinander halten und möglichst von zu Hause arbeiten.
Abes eigene politische Lage hat sich jedoch im Zuge der Krise spürbar verschlechtert. Er war scharf dafür kritisiert worden, unzureichend auf die Pandemie reagiert zu haben. Seine Umfragewerte sind deutlich gesunken. Einen weiteren Schlag versetzte ihm kürzlich der Rücktritt eines ihm angeblich politisch nahe stehenden Top-Staatsanwalts, der während des Notstands heimlich bei Glücksspielen gezockt hatte.
Die Einschränkungen erfolgten graduell und wurden der Lage schrittweise angepasst. Zwar hat Japan wirtschaftlich einen ähnlich harten Einbruch durch die Corona-Krise erlebt wie andere Länder, gegen den sich die Regierung mit Milliardenausgaben stemmen will.
Beim nun geplanten schrittweisen Wiederanfahren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens steht die Nummer drei der Weltwirtschaft nach Einschätzung von Experten jetzt jedoch besser da als Länder, die einen harten Lockdown verhängten.
Die Restriktionen für die Wirtschaft, den Reiseverkehr und Großveranstaltungen sollen bis August phasenweise alle drei Wochen nach Prüfung gelockert werden.
Zwar ist Japan für sein moderates Vorgehen kritisiert worden. So war der Regierung vorgeworfen worden, viel weniger auf das Virus testen zu lassen als andere Länder. Andere Experten halten dagegen, dass Japan viel weniger Tote und Patienten mit schweren Symptomen aufweise. Dazu habe beigetragen, dass in Japan mit seiner hohen Bevölkerungsdichte seit jeher extrem hoher Wert auf Hygiene gelegt wird. Hinzu kommen kulturelle Besonderheiten - wie Verbeugen statt Händeschütteln oder das Schuheausziehen, bevor man ins Haus geht.
Der Trend der täglichen Neuinfektionen zeigt seit einiger Zeit nach unten. Japan zählt rund 17.300 Infektionen und rund 850 Todesfälle. Mit am schlimmsten traf es die Hauptstadt Tokio, wo bislang mehr als 5100 Menschen positiv auf das Virus getestet wurden, so viel wie in keiner anderen der 47 Provinzen. Am Montag kamen 8 neue Fälle hinzu. Wegen der Pandemie waren auch die in Tokio in diesem Sommer geplanten Olympischen Spiele auf den Sommer nächsten Jahres verschoben worden. (dpa)