Mit einem heftig umstrittenen Staatstrauerakt voller militärischem Pomp hat Japan den kürzlich ermordeten Ex-Regierungschef Shinzo Abe geehrt. Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen und begleitet von wütenden Protesten nahmen in Tokio rund 4300 Trauergäste aus dem In- und Ausland an dem Staatsakt in der Kampfsporthalle Nippon Budokan teil, darunter Ex-Bundespräsident Christian Wulff und US-Vizepräsidentin Kamala Harris.
Unter dem Donner von Kanonenschüssen trug Abes Witwe Akie in einen schwarzen, formellen Kimono gekleidet die Urne mit der Asche in die Halle. Die Trauergäste hatten vor einem riesigen Porträt des Ermordeten mit schwarzem Trauerflor Platz genommen.
Abe war Japans am längsten amtierender Regierungschef der Nachkriegszeit und gilt weltweit als verdienter Staatsmann. Im eigenen Land ist Abe aber mit seiner nationalistischen Agenda und seiner Verwicklung in Skandale um Vetternwirtschaft umstritten. Abe war am 8. Juli während einer Wahlkampfrede in Nara erschossen worden.
Verbindungen zur Mun-Sekte
Der Attentäter hatte angegeben, den Rechtskonservativen aus Hass auf die umstrittene Mun-Sekte ermordet zu haben. Die für ihre ultrakonservative und antikommunistische Gesinnung bekannte Organisation des verstorbenen koreanischen Sektengründers San Myung Mun, zu der Abe in Verbindung gestanden hatte, habe seine Mutter in den finanziellen Ruin getrieben und die Familie zerstört. Vier Tage nach seiner Ermordung war Abe im Anschluss an eine private Trauerzeremonie in einem Tempel der Hauptstadt eingeäschert worden.
Schon Stunden vor dem Staatstrauerakt hatten sich Hunderte Menschen in einem angrenzenden Park eingefunden, um an zwei Ständen Blumen niederzulegen und für Abe zu beten. Zugleich gab es jedoch auch Proteste Tausender Gegner der mit Millionen Steuergeldern finanzierten Veranstaltung. Rund 20.000 Polizisten waren mobilisiert.
Boykott des Staatstrauerakts
Einige Oppositionsparteien boykottierten den Staatstrauerakt und betonten, es gebe dafür keine Rechtsgrundlage. Gegner erinnerte er an Japans imperialistische Vorkriegszeit, als Staatstrauern dazu dienten, Nationalismus zu schüren. Seit Kriegsende hatte es eine Staatstrauer für einen Premier nur ein einziges Mal gegeben: 1967 für Shigeru Yoshida. Auch damals war die Zeremonie kritisiert worden.
Soldaten in weißen Uniformen nahmen in der nahe des Kriegsschreins Yasukuni gelegenen Budokan-Halle die Urne entgegen und stellten sie auf ein Podest, das mit weißen und gelben Chrysanthemen dekoriert war. Während eine Militärkapelle die Nationalhymne Kimigayo spielte, standen die Gäste. Es folgte ein Moment des stillen Gedenkens. Danach wurde ein Video abgespielt, in dem Abes Amtszeit gerühmt wurde. In seiner Rede lobte der heutige Regierungschef Fumio Kishida seinen Mentor Abe als Politiker mit einer klaren Vision für die Entwicklung Japans und der Welt, der das Konzept eines »freien und offenen Indopazifik« als Gegengewicht zu China verfolgt habe. »Du warst jemand, der viel länger hätte leben sollen«, sagte Kishida.
»Kein Glücksfall für die japanische Demokratie«
Kishida hatte ohne vorherige Beratungen im Parlament entschieden, dass Abe einen Staatstrauerakt verdient. Doch die Mehrheit im Volk war zuletzt anderer Meinung. Abes Gegner erinnerten an Abes Versuche, Japans Kriegsgräuel zu beschönigen und die pazifistische Nachkriegsverfassung zu ändern. Abe »war kein Glücksfall für die japanische Demokratie«, sagte die Japanologin Gabriele Vogt. Hinzu kommen nun die nach Abes Tod aufgedeckten Verwicklungen in die Mun-Sekte. In Umfragen sprach sich zuletzt eine Mehrheit gegen den Staatstrauerakt aus.
Laut Beobachtern wollte sich Kishida mit dem Staatsakt letztlich auch das Wohlwollen des mächtigen Abe-Lagers in seiner regierenden Liberaldemokratischen Partei LDP sichern. Die Regierung betonte zwar, die Zeremonie solle niemanden im Volk zur Trauer zwingen. Doch die undemokratische Entscheidung, ihm die seltene Ehre zu erteilen, die hohen Kosten und die Verbindungen Abes und seiner regierenden Partei zur Mun-Sekte ließen Kishidas Umfragewerte zuletzt drastisch sinken. Es gibt bereits Spekulationen, Kishida sei als Premier angeschlagen.
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