Trotz zahlreicher Wahlniederlagen will Janine Wissler Vorsitzende der Linkspartei bleiben. Sie wolle mit einer erneuten Kandidatur auf dem Parteitag Ende Juni einen Beitrag zur Erneuerung der Linken leisten, sagte Wissler am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.
Zuvor hatte die »Tagesschau« über den geplanten Wiederantritt der Linken-Chefin berichtet.
Einzug in drei Parlamente verpasst
Die Entscheidung hatte infrage gestanden, nachdem die Linke zuletzt bei den drei Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und im Saarland den Einzug in die Parlamente verpasst hatte. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst kam sie auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen - weil sie drei Direktmandate gewann, sitzt sie dennoch in Fraktionsstärke im Parlament.
Auch der Rücktritt von Wisslers Co-Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow vor einigen Wochen und die parteiinternen Vorwürfe zu sexuellen Übergriffen hatten die Linke in eine tiefe Krise gestürzt. Nach dem Rücktritt von Hennig-Wellsow hatte Wissler zunächst erklärt, ihre Partei künftig alleine weiterführen zu wollen. Offen blieb aber, ob sie auch erneut für den Vorsitz kandidieren würde.
»Ich bin sehr gerne Parteivorsitzende und habe noch einiges vor«, sagte Wissler der dpa. Es gebe »sowohl das Potenzial als auch den Bedarf nach einer linken Partei«, betonte sie. »Wir haben es selbst in der Hand, und ich möchte mit der erneuten Kandidatur meinen Beitrag leisten.« Ende Juni soll auf einem Bundesparteitag in Erfurt die komplette Parteispitze neu gewählt werden. Die Linke in Hessen unterstützt die Kandidatur von Wissler bereits, wie die Partei am Samstag auf Twitter mitteilte.
Wissler hatte zuvor bei einem Auftritt auf dem Landesparteitag der Linken in Hannover am Samstag ihre erneute Kandidatur zunächst nicht erwähnt. Offen bleibt weiterhin, ob auch der Ostbeauftragte der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann, Ende Juni für den Bundesvorsitz kandidieren wird. Wie Wissler hatte auch Pellmann angekündigt, dazu in den kommenden Tagen eine Entscheidung verkünden zu wollen. Aus der Parteizentrale war am Samstag zu hören, dass eine Kandidatur Pellmanns noch nicht bekannt sei.
Ramelow: »Wir brauchen einen Strukturwechsel«
Für Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow ist die Linkspartei derzeit eine Baustelle. Es gehe nicht nur um Personalentscheidungen. »Wir brauchen einen Strukturwechsel«, sagte Ramelow am Samstag am Rande eines Landesparteitags der Thüringer Linken in Bad Blankenburg.
Ein Problem der Partei sei, dass sie quasi drei Machtzentren habe, den Bundesvorstand, die Bundestagsfraktion und den Bundesausschuss. Diese gäben auf eine Frage manchmal drei konträre Antworten. »Das kann nicht funktionieren«, sagte Ramelow. Ihm sei es wichtig, dass die Linke künftig mit einer Stimme spreche.
Auch der frühere Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, sieht es als Problem an, dass verschiedene Meinungen von Linken-Politikern in der Öffentlichkeit scheinbar gleichwertig nebeneinander stünden. »Wir müssen unsere Positionen zu zentralen Themen bestimmen und gemeinsam nach außen vertreten«, sagte Gysi der dpa. Er mahnte nicht nur eine inhaltliche, sondern auch eine personelle Erneuerung an, schloss eine eigene Kandidatur aber aus.
Die Partei müsse selbst unter Beweis stellen, wofür sie gebraucht werde, sagte Gysi. »Und wir müssen deutlich machen, welche Interessen wir vertreten, nämlich zuerst die von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Auszubildenden, und dann die von Studierenden, Arbeitslosen, Obdachlosen, Geflüchteten, Freiberuflern und kleinen Unternehmen. Auch der Mittelstand gehört dazu.«
© dpa-infocom, dpa:220521-99-375279/7