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Italiens Staatschef nimmt Draghis Rücktritt nicht an

Nachdem die Fünf-Sterne-Bewegung darauf verzichtete, Draghi das Vertrauen auszusprechen, will der Ministerpräsident die Konsequenzen ziehen. Doch Präsident Mattarella bewertet die Lage anders.

Mario Draghi
Der Premierminister von Italien: Mario Draghi. Foto: Michael Kappeler
Der Premierminister von Italien: Mario Draghi.
Foto: Michael Kappeler

Italiens Regierung steckt inmitten einer Notlage durch die Dürre sowie Energie-Sorgen als Folge des Ukraine-Krieges in einer schweren politischen Krise. Ministerpräsident Mario Draghi reichte am Donnerstagabend bei Staatschef Sergio Mattarella seinen Rücktritt ein. »Die Mehrheit der nationalen Einheit, die diese Regierung seit der Gründung unterstützt hat, gibt es nicht mehr«, sagte der 74 Jahre alte Ex-Chef der Europäischen Zentralbank vor seinem Kabinett. Mattarella lehnte Draghis Rücktritt aber ab.

Stattdessen soll der parteilose Ökonom dem Parlament am kommenden Mittwoch Bericht erstatten und die Lage einschätzen. Er wird dort ausloten müssen, ob er weiter mit einer ihn unterstützenden Mehrheit regieren kann. Die Sozialdemokraten und Zentrumsparteien wie etwa die Italia Viva von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi sagten bereits ihren Rückhalt zu. Die rechtsextreme Oppositionspartei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) von Giorgia Meloni pocht dagegen weiter auf vorgezogene Wahlen. Auch die bislang mitregierende rechte Lega um Matteo Salvini schloss vorzeitige Wahlen nicht aus.

Fünf-Sterne-Bewegung boykottierte Vertrauensabstimmung

Auslöser des italienischen Politik-Chaos war der Boykott einer Vertrauensabstimmung im Senat durch die mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung. Die Populisten blieben dem Votum zu einem rund 26 Milliarden Euro umfassenden Hilfsdekret fern. Mit dem Geld soll Italiens Unternehmen und Familien etwa wegen der gestiegenen Energiepreise als Folge des Ukraine-Krieges geholfen werden. Mit dem Votum war aber auch eine Vertrauensfrage verbunden. Weil die »Sterne« aber abwesend waren, fehlte Draghi deren Rückhalt.

Überraschend kam der Schritt der Anti-Establishment-Partei von Giuseppe Conte nicht. »Wir werden nicht abstimmen«, hatte der 57 Jahre alte Vorgänger Draghis bereits am Mittwoch angekündigt.

Streit über Hilfsgelder

Zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und dem Rest der Vielparteienregierung krachte es schon zuvor. Die Partei verlangte mehr Hilfsgelder für das Dekret. Conte wollte außerdem einen im Dekret enthaltenen Plan für den Bau einer Müllverbrennungsanlage in der vom Abfall geplagten Hauptstadt Rom nicht mittragen. Die Sterne-Politiker finden, die Anlage sei nicht die richtige und umweltfreundliche Art, den Müll zu entsorgen.

Schon am Montag hatte die streitlustige Bewegung in der Abgeordnetenkammer - der größeren des Zwei-Kammern-Parlaments - für einen Eklat gesorgt, als dort über das Dekret abgestimmt wurde. Ein Unterschied zum Senat war allerdings, dass dort Vertrauensfrage und Abstimmung Dekret getrennt waren. So konnten die Abgeordneten der Regierung zwar das Vertrauen aussprechen, aber beim Hilfsdekret fern bleiben. Mit dem Votum im Senat billigte das Parlament das Gesetz mit 172-Ja zu 39-Nein-Stimmen - auch ohne Sterne-Bewegung.

»Conte hat hoch gepokert und am Ende seine Leute nicht mehr im Griff gehabt«, sagte Politik-Experte Tobias Mörschel von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung der Deutschen Presse-Agentur. Die Situation, dass eine Regierung am Ende an einer Müllverbrennungsanlage scheitere, sei absurd.

Senatorin: Regierungskrise ist »völlig unverantwortlich«

Die Südtiroler Senatorin Julia Unterberger nannte die Regierungskrise »völlig unverantwortlich«. Sie bemerkte allerdings, dass Draghi anders hätte reagieren können, denn das Vertrauen des Parlamentes habe er sowieso.

Contes Sterne-Partei befindet sich schon seit Wochen in einer Identitätskrise. Die Umfragewerte der Wahlsieger von 2018 sind im Keller. Unlängst verließ Außenminister Luigi Di Maio die vom Berufskomiker Beppe Grillo gegründete Bewegung, von der er einst schon Chef war. Er nahm Dutzende seiner Mitstreiter mit in die neue Partei Insieme per il futuro (Gemeinsam für die Zukunft). Die Sterne waren deshalb nicht mehr die größte Parlamentspartei und so für die Vertrauensabstimmungen nicht entscheidend. Wie es nun mit Conte und den Fünf Sternen weitergeht, wird sich erst noch zeigen.

© dpa-infocom, dpa:220714-99-17582/12