Rom (dpa) - Die neue populistische Regierung in Italien sendet gemischte Signale in Richtung Deutschland und Europa. Nach den Irritationen der letzten Wochen zwischen Berlin und Rom wird der neue Regierungschef Giuseppe Conte Ende nächster Woche Kanzlerin Angela Merkel treffen.
Derweil droht der neue rechte Innenminister Matteo Salvini vor einem EU-Ministertreffen mit Massenabschiebungen von Migranten und einem Ende für Hilfsorganisationen, die auf dem Mittelmeer Flüchtlinge in Seenot retten.
Premier Conte kündigte ein erstes bilaterales Treffen mit Merkel beim G7-Gipfel in Kanada an. Der Gipfel der wichtigsten westlichen Industriestaaten am 8. und 9. Juni sei die »erste Gelegenheit, dass ich zum Sprecher der Interessen der italienischen Bürger werde«, erklärte Conte auf Facebook. Merkel habe ihn zudem bei einem freundlichen Telefonat eingeladen, so schnell wie möglich nach Berlin zu kommen.
Die Regierung aus rechtspopulistischer Lega und Fünf-Sterne-Bewegung war am Freitag vereidigt worden. Die Parteien hatten während der chaotischen Regierungsbildung Deutschland Einmischung und Besserwisserei vorgeworfen und Stimmung gegen die EU gemacht.
Merkel erklärte in einem Interview, sie werde offen auf die neue Regierung zugehen. »Ich werde (...) mit ihr arbeiten, anstatt über ihre Absichten zu spekulieren«, sagte die CDU-Politikerin der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. Die Kanzlerin bekannte sich zur Solidarität unter Euro-Partnern, warnte jedoch angesichts von Gedankenspielen in Rom über einen Schuldenerlass, Solidarität dürfe »nie in eine Schuldenunion münden«.
Derweil machte Lega-Chef Salvini deutlich, dass er Migranten so schnell wie möglich loswerden will. »Für die Illegalen ist das schöne Leben vorbei, sie müssen die Koffer packen«, sagte er bei einer Veranstaltung in Vicenza. Seenotretter will er stoppen und bezeichnete er als Handlanger der Menschenschlepper. »Kein Vize-Schmuggler darf mehr an italienischen Häfen anlegen.« Wie er seine Pläne umsetzen will, sagte er nicht.
Im Mittelmeer kreuzen mittlerweile nur noch wenige Schiffe von Hilfsorganisationen, nachdem die italienische Vorgängerregierung ein umstrittenes Abkommen mit Libyen zum Umgang mit den Migranten geschlossen hatte. Seitdem kommen wesentlich weniger Migranten in Italien an. Unter den NGOs sind auch deutsche wie die Regensburger Sea-Eye, die Sea-Watch aus Berlin und die deutsch-italienisch-französische Organisation SOS Mediterranee.
Am Dienstag findet ein EU-Innenministertreffen in Luxemburg statt. Salvini sagte, Italien werde »Nein« zur Reform des Dublin-Abkommens zum Umgang mit Asylbewerbern sagen. Die seit langem kontroverse Reform der Asylpolitik kommt seit 2016 kaum voran, weil es Streit über eine Quote zur Verteilung von Flüchtlingen über alle EU-Länder gibt. Italien fühlt sich davon benachteiligt, weil an den Küsten viele Flüchtlinge ankommen, die nicht von anderen Staaten aufgenommen werden.
Zu der Polemik über Migranten kam Ärger über einen ultrakonservativen Minister der Lega hinzu. Familienminister Lorenzo Fontana stellte in einem Interview in Frage, dass es Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern gebe. Auf die Frage, was er für diese Familien tun wolle, sagte er: »Existieren Regenbogenfamilien?« Auf den Einwurf des Journalisten, dass es sehr viele davon in Italien gebe, sagte Fontana: »Gesetzlich existieren sie derzeit nicht.«
Fontana - der auch im Europaparlament saß - sieht die traditionelle Familie in Gefahr und ist Abtreibungsgegner. »Ich bin katholisch, das verberge ich nicht. Und deshalb sage ich auch, dass die Familie jene ist, wo ein Kind eine Mama und einen Papa haben soll«, sagte er der Zeitung. Um die niedrige Geburtenquote in Italien wieder anzuheben, wolle er die Zahl der Abtreibungen senken.
Es sei schlimm, wenn ein Minister eine solch »falsche und beleidigende Meinung« vertrete, sagte der Vorsitzende des Schwulenverbandes Gaynet, Francesco Lepore. Salvini, der sonst selbst gegen Familienmodelle mit zwei Müttern oder Vätern wettert, distanzierte sich. Fontana könne »seine eigenen Vorstellungen haben«, sagte er. »Aber sie sind nicht Priorität und sie stehen nicht in unserem Regierungsvertrag.«