Vor dem Hintergrund einer schweren Eskalation der Gewalt in Israel und den palästinensischen Gebieten hat ein umstrittenes Gesetz zur Einführung der Todesstrafe für Terroristen eine erste Hürde genommen.
55 von 120 Abgeordneten im Parlament stimmten für den Entwurf, neun dagegen. Es sind aber noch drei weitere Lesungen notwendig, bevor das Gesetz in Kraft treten kann. Zuletzt häuften sich tödliche Anschläge von Palästinensern auf Israelis. Fast täglich werden zudem Palästinenser bei Einsätzen der israelischen Arme oder bei ihren eigenen Anschlägen getötet.
Eingebracht hatte den kontroversen Gesetzesentwurf die Abgeordnete Limor Son Bar-Melech von der rechtsextremen Koalitionspartei Ozma Jehudit. Ihr Mann war 2003 bei einem palästinensischen Anschlag getötet worden, sie selbst - damals hochschwanger - erlitt damals schwere Verletzungen.
Gesetzesänderung Teil der Koalitionsverträge
Ähnliche Vorstöße für eine Todesstrafe für Terroristen waren in der Vergangenheit gescheitert. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir von Ozma Jehudit hatte darauf bestanden, dass die Gesetzesänderung als Teil der Koalitionsverträge der rechts-religiösen Regierung von Benjamin Netanjahu festgehalten wurde. »Es gibt extreme Situationen, in denen Leute furchtbare Verbrechen begehen, und sie es nicht mehr verdient haben, zu leben«, sagte Ben-Gvir während der Debatte im Parlament. Kritiker sprechen jedoch von einer populistischen Maßnahme. Sie wirke auch nicht wirklich abschreckend, weil palästinensische Attentäter bei ihren Taten ohnehin den eigenen Tod in Kauf nähmen.
Laut dem Entwurf soll mit dem Tode bestraft werden, »wer absichtlich oder aus Gleichgültigkeit den Tod eines israelischen Bürgers verursacht, wenn die Tat aus einer rassistischen Motivation erfolgt oder aus Feindseligkeit gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe« - mit dem Ziel, »dem Staat Israel zu schaden oder der Wiedergeburt des jüdischen Volkes in seinem Heimatland«. Im besetzten Westjordanland sollen Militärgerichte befähigt werden, mit einer einfachen Mehrheit Todesurteile auszusprechen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte am Dienstag bei einem Treffen mit ihrem israelischen Amtskollegen Eli Cohen in Berlin deutliche Worte gefunden. »Wir sind aus fester Überzeugung gegen die Todesstrafe, und wir sprechen das überall auf der Welt an«, sagte sie. »Auf der ganzen Welt sind Staaten dabei, sich von dieser grausamen Praxis zu verabschieden, auch weil erwiesen ist, dass sie als Abschreckung nicht wirksam ist«, sagte Baerbock.
Israel hatte Todesstrafe im Jahre 1954 abgeschafft
Baerbock verwies in ihrer Rede auch auf die Hinrichtung des deutschen NS-Verbrechers Adolf Eichmann im Jahre 1962. Israel hatte die Todesstrafe für Mord im Jahre 1954 abgeschafft. Das israelische Gesetz ermöglichte zwar weiter die Verhängung der Todesstrafe in bestimmten Fällen, etwa gegen NS-Verbrecher oder bei Verrat in Kriegszeiten. Eichmanns Hinrichtung war aber das letzte Mal, dass eine von einem ordentlichen Gericht in Israel ausgesprochene Todesstrafe wirklich vollstreckt wurde. Bereits 1948 war der israelische Offizier Meir Tobianski nach der Schnellverurteilung durch ein Standgericht wegen Verrats erschossen worden. Später erwies er sich als unschuldig und wurde posthum freigesprochen.
Wie selten Israel trotz der Bedrohung durch Terror bisher die Todesstrafe eingesetzt habe, sei immer ein »beeindruckendes Argument« gegen unfaire Kritik des Landes gewesen, sagte Baerbock. »Ich sage daher als Freundin: Ich bin überzeugt, dass es ein großer Fehler wäre, mit dieser Geschichte zu brechen.«
Auch die israelische Generalstaatsanwaltin Gali Baharav-Miara hatte sich gegen das neue Gesetz ausgesprochen. Es sei rechtswidrig, außerdem sei die Todesstrafe als Abschreckung nicht wirksam. »Es gibt Bedenken hinsichtlich der Strafe, die nicht rückgängig zu machen ist.«
»Widerspricht den Grundwerten des Staates Israel«
Das Israelische Demokratie-Institut hat das Vorhaben ebenfalls klar kritisiert. Es »widerspricht den Grundwerten des Staates Israel sowie den internationalen Konventionen und verringert den moralischen Abstand zu den Terroristen«, schrieb das Institut in einer Stellungnahme.
Das palästinensische Außenministerium verurteilte den Gesetzesentwurf als »grausam, barbarisch und unmenschlich«. Er ziele darauf ab, »den Palästinensern ihr Existenzrecht und ihre Menschlichkeit zu verweigern«.
Amnesty International konnte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr im Kampf um eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe einige Erfolge verbuchen. Dennoch lebten demnach immer noch zwei Drittel der Weltbevölkerung in Staaten, in denen ihnen die Todesstrafe droht.
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