BERLIN. Deutsche sollen künftig ihre Staatsbürgerschaft verlieren, wenn sie für eine Terrormiliz wie den »Islamischen Staat« (IS) kämpfen. Voraussetzung für die Ausbürgerung ist aber, dass der Betroffene noch mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt.
Denn Deutschland entlässt niemanden in die Staatenlosigkeit. Einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedete das Bundeskabinett am Mittwoch. »Das wird vor allem abschreckende Signalwirkung haben für Ausreisewillige in IS-Gebiete, für IS-Unterstützer«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Das neue Gesetz wird nicht rückwirkend geltend. Das heißt, für mutmaßliche IS-Angehörige, die jetzt schon in Syrien oder im Irak in Gefangenschaft sind, ändert sich dadurch nichts. Nach Informationen der Bundesregierung befanden sich Ende März 104 Erwachsene, die aus Deutschland ausgereist waren, im IS-Gebiet in Gefangenschaft. 66 von ihnen wurden demnach in Syrien festgehalten. Von den 104 mutmaßlichen IS-Anhängern sind laut Innenministerium 74 deutsche Staatsangehörige - darunter 25 Doppelstaatler.
Von der Änderung betroffen sein könnten aber Terrorkämpfer, die sich jetzt schon im Ausland aufhalten und nach Inkrafttreten des Gesetzes noch an Kampfhandlungen teilnehmen. Für Minderjährige soll die Neuregelung nach Seiberts Angaben nicht gelten.
Was jetzt schon für Deutsche gilt, die sich ohne Zustimmung des deutschen Verteidigungsministeriums freiwillig einer ausländischen Armee anschließen, soll nun auch Menschen betreffen, die freiwillig für eine Terrormiliz kämpfen. In dem Gesetzentwurf ist eine Terrormiliz definiert als »ein paramilitärisch organisierter bewaffneter Verband, der das Ziel verfolgt, in völkerrechtswidriger Weise die Strukturen eines ausländischen Staates gewaltsam zu beseitigen und an Stelle dieser Strukturen neue staatliche oder staatsähnliche Strukturen zu errichten«.
Welche Organisationen in diese Kategorie fallen, sei von Fall zu Fall zu entscheiden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Entscheidend für den Entzug der Staatsangehörigkeit sei ohnehin die Beteiligung des Betroffenen an Kampfhandlungen.
Großbritannien und Australien hatten solche Gesetzesänderungen schon vor längerer Zeit beschlossen - und auch schon zur Anwendung gebracht. In der Union ärgern sich jetzt einige Innenpolitiker, dass es hierzulande bis zu einer Einigung so lange gedauert hat. Der damalige Unionsfraktionsvize Thomas Strobl (CDU) habe diesen Vorschlag schon früh im Jahr 2014 eingebracht, der Koalitionspartner SPD habe dem allerdings mehrfach nicht zugestimmt. »Für viele der aktuell relevanten IS-Kämpfer kommen wir deshalb jetzt leider zu spät«, sagte der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster der Deutschen Presse-Agentur. Als Signal für die Zukunft sei das neue Gesetz dennoch richtig.
Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, widersprach dem. Sie sagte: »Den Verlust der Staatsangehörigkeit als vermeintlich sicherheitspolitisches Instrument einzusetzen, ist pure Schaufensterpolitik.« Anstatt sich deutscher Staatsangehöriger zu entledigen, solle die Bundesregierung besser dafür sorgen, dass IS-Anhänger in Deutschland vor Gericht gestellt würden. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae warnte, damit betrete die Koalition »den gefährlichen Pfad des Feindstrafrechts«. Diese Art von »Symbolpolitik« bringe Deutschland bei der Lösung der Probleme mit den deutschen IS-Rückkehrern keinen Schritt weiter. (dpa)