Hunderte Kassenärzte haben am Mittwoch in mehreren Bundesländern gegen Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) protestiert. Zahlreiche Praxen blieben deswegen geschlossen oder schränkten ihren Betrieb ein.
Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands hatte bundesweit unter dem Motto #WartenBisDerArztKommt zu den Protestaktionen aufgerufen. Die Ärzte wenden sich dagegen, dass ihre Honorare für Neupatienten verkürzt gesagt künftig wieder nur mit einem rund 20-prozentigen Abschlag gezahlt werden sollen.
Mit Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes 2019 hätten die Praxen ihre Sprechstunden und das Terminangebot ausgeweitet und in zusätzliche Leistungen investiert, sagte der Hamburger Radiologe und dortige Leiter der Protestkampagne, Andreas Bollkämper. Im Gegenzug seien die Honorare für Neupatienten ohne Abschläge gezahlt worden. Falle diese Regelung jetzt weg, führe das zwangsläufig zu einem schlechteren Angebot für die Patienten.
Krankenkassen stehen vor Milliarden-Minus
Allein in Hamburg beteiligten sich nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mehr als 1200 Kassenärzte und Mitarbeiter von Praxen. Auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen protestierten niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten. Die Ärztegenossenschaft Nord ging davon aus, dass sich Hunderte Praxen in Schleswig-Holstein beteiligten. Die Ärztekammer Niedersachsen erklärte sich solidarisch mit den Protestierenden.
In Baden-Württemberg hätten sich Mediziner aus 300 Praxen gegen die geplante Änderung gewandt, sagte der Vize-Landeschef des Ärzteverbundes Medi, Norbert Smetak. »Die Patienten werden weniger schnell Termine bekommen und länger warten müssen.«
Als Neupatienten gelten Menschen, die eine Praxis mehr als zwei Jahre lang nicht besucht haben. Bei einer Überweisung zum Facharzt sind sie auch dort Neupatient.
Hintergrund für die Kehrtwende ist, dass für 2023 ein Minus von 17 Milliarden Euro bei den gesetzlichen Krankenkassen erwartet wird. Der Wegfall der Honorierungsregelung für Neupatienten in Praxen ist Bestandteil eines geplanten Finanzpakets zum Ausgleich dieses Milliardenlochs. Darüber hinaus sind ein zusätzlicher Bundeszuschuss von zwei Milliarden Euro, ein Abbau von Finanzreserven bei den Kassen sowie ein Beitrag der Pharmaindustrie geplant.
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