Nach dem Tod einer jungen Frau im Iran sind erneut Tausende Menschen gegen das islamische Herrschaftssystem und die systematische Diskriminierung von Frauen auf die Straße gegangen. Hunderte wurden dabei festgenommen, wie die Behörden berichteten. Allein im Norden nahm die Polizei demnach am Samstag 739 Menschen in Gewahrsam, darunter 60 Frauen. Medienberichten zufolge gab es auch erneut Todesopfer, ihre Zahl blieb aber unklar.
Präsident Ebrahim Raisi kündigte unterdessen einmal mehr ein hartes Durchgreifen gegen die Demonstranten an. Man werde nicht zulassen, dass »vom Ausland bezahlte Söldner« die Sicherheit des Landes gefährdeten, sagte er bereits am Freitag. »Proteste ja, Unruhen nein«, sagte Raisi.
Auslöser der derzeitigen Proteste ist der Tod der 22 Jahre alten Iranerin Mahsa Amini. Sie war vor einer Woche von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung festgenommen worden. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Bekannt ist, dass sie zunächst ins Koma fiel und am 16. September in einem Krankenhaus verstarb. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück.
Regierung sieht keine Schuld bei Polizei
Als Reaktion auf die Proteste hatte die Regierung den Zugang zum Internet massiv eingeschränkt. Insbesondere mobile Funknetze funktionieren kaum. Informationen, etwa über soziale Medien, dringen daher schwer nach außen. Und Demonstranten wird es schwer gemacht sich zu organisieren.
Innenminister Ahmad Wahidi bekräftigte am Samstag die Sicht der Regierung: »Die medizinischen Untersuchungen und jene der Gerichtsmedizin zeigen, dass es weder Schläge (seitens der Polizei) noch einen Schädelbruch gegeben hat«, sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Irna. Die voreiligen Schlüsse in diesem Fall und die folgenden Proteste seien auf der Basis von falschen Interpretationen entstanden.
Aminis Vater kritisierte dagegen den Bericht der Gerichtsmedizin vehement. Seine Tochter habe keinerlei Herzprobleme gehabt und könne daher auch nicht, wie behauptet, an Herzversagen gestorben sein.
Menschenrechtler berichten von Dutzenden Toten
Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften. Insbesondere in den Metropolen sehen viele Frauen die Regeln inzwischen aber eher locker und tragen beispielsweise ihr Kopftuch nur auf dem Hinterkopf - zum Ärger erzkonservativer Politiker. Religiöse Hardliner versuchen seit Monaten, die islamischen Gesetze strenger anwenden zu lassen.
Zur Zahl der Todesopfer bei den Protesten wollen die Behörden bis auf weiteres keine Angaben mehr machen. Der staatliche iranische Fernsehsender IRIB berichtete von 35 Toten, fügte jedoch hinzu, dass diese Zahl inoffiziell und noch nicht bestätigt sei. Der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights zufolge starben bereits mindestens 50 Menschen. Die Behörden hatten vor zwei Tagen von 17 bis 20 Toten gesprochen.
Angeblich Anschläge vereitelt
Innenminister Wahidi bestätigte zwar, dass es sowohl unter Demonstranten als auch bei den Sicherheitskräften weitere Tote gegeben habe, eine Zahl werde aber erst nach Untersuchungen bekanntgegeben. Dem Minister zufolge wurden einige Menschen, die in »hochgesicherte Einrichtungen« eindringen wollten, von Sicherheitsbeamten erschossen.
Der Polizeichef der Provinz Gilan, Asisiollah Maleki, bezeichnete die mehr als 700 festgenommenen Demonstranten als »Krawallmacher«. Sie seien für die Verletzung von mehr als 100 Polizisten sowie für Beschädigungen an öffentlichen Einrichtungen zuständig. Bei den Festnahmen seien zahlreiche Waffen, Munition und Sprengstoffe sichergestellt worden, behauptete Maleki nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna.
Der iranische Geheimdienst erklärte nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr unterdessen, man habe in der Stadt Täbris im Nordwesten des Landes mehrere Bombenanschläge vereitelt und Tatverdächtige festgenommen. Sie seien von Monarchie-Anhängern und Mitgliedern der Volksmudschaheddin geplant worden.
Nachrichtenagentur Mehr, Persisch
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