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Holocaust-Gedenktag im Zeichen von queeren Opfern

Zum internationalen Holocaust-Gedenktag rückt der Bundestag queere NS-Opfer in den Fokus. Sie wurden von den Nazis verfolgt, gequält, ermordet. Auch der russische Angriffskrieg ist beim Gedenken Thema.

Bundestag
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) während der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag. Foto: Bernd von Jutrczenka
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) während der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag.
Foto: Bernd von Jutrczenka

Mit einer emotionalen Gedenkstunde hat der Bundestag am Freitag der Opfer des Nationalismus gedacht. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas legte in ihrer Rede einen besonderen Fokus auf Menschen, die in der NS-Zeit wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität verfolgt und ermordet wurden. Bundesweit und im Ausland wurden zum internationalen Holocaust-Gedenktag bei Veranstaltungen der NS-Opfer gedacht und Kränze niedergelegt.

Im Mittelpunkt der Gedenkfeier des Bundestages standen in diesem Jahr queere Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt, gequält und ermordet wurden. Auf die Anerkennung als NS-Opfer hätten Angehörige sexueller Minderheiten lange vergebens gewartet, betonte Bundestagspräsidentin Bas. »Für unsere Erinnerungskultur ist es wichtig, dass wir die Geschichten aller Verfolgten erzählen«, betonte die SPD-Politikerin. Es sei die Aufgabe jeder Generation, sich von neuem mit den Verbrechen der Geschichte auseinanderzusetzen.

Mehr als ein Jahrhundert lang sind etwa homosexuelle Männer in Deutschland unter dem Strafrechtsparagrafen 175 verfolgt worden. Unter den Nationalsozialisten wurde der Paragraf noch einmal verschärft. Nach Angaben des Lesben- und Schwulenverbands gab es in der Nazi-Diktatur bis 1945 an die 50.000 Verurteilungen.

Die Holocaust-Überlebende Rozette Kats pflichtete Bas in ihrer Rede bei. »Wenn bestimmte Opfergruppen gar als weniger wertvoll als andere angesehen werden, dann bedeutet das am Ende nur eins - dass die nationalsozialistische Ideologie weiterlebt und leider bis heute weiterwirkt«, mahnte die sichtlich bewegte 80-Jährige. Kats wurde 1942 in einer jüdischen Familie geboren und überlebte den Holocaust bei einem Ehepaar in Amsterdam, bei dem sie unter falscher Identität aufwuchs. Ihre leibliche Familie wurde in Auschwitz ermordet.

Auch in allen Bundesländern wurden in zentralen Gedenkveranstaltungen an die Gräueltaten des Holocausts erinnert, vielerorts wurden Kränze niedergelegt. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Vertreter jüdischer Verbände appellierten die Erinnerung an die NS-Verbrechen stärker in der Gesellschaft zu verankern. »Für alle Deutschen muss klar sein: Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz«, sagte Wüst in der Gedenkstunde des nordrhein-westfälischen Landtags.

Zentralrat regt Pflichtbesuch in KZ-Gedenkstäten an

Der Zentralrat der Juden hatte am Donnerstag angeregt, einen Besuch in KZ-Gedenkstätten für alle angehenden Geschichtslehrer zur Pflicht zu machen. Zudem solle die Politik die Voraussetzungen schaffen, solche Besuche mit dem nötigen Kontext auch für Schüler in alle Lehrpläne aufzunehmen, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Um Jugendliche zu erreichen, startete die Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank eine Social Media-Gedenkkampagne. Darin erläutert eine junge Historikerin etwa, was es mit dem 27. Januar auf sich hat. Die Gedenkstätte Sachsenhausen präsentierte eine Installation aus Klebebändern mit Antworten auf die Frage »Warum erinnerst du heute?«.

23.000 Sinti und Roma in Auschwitz

Im Kampf gegen Diskriminierung möchten der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und das Bundeskriminalrat künftig enger zusammenarbeiten, hieß es auf einer gemeinsamen Veranstaltung in Berlin. Sinti und Roma wurden in der NS-Zeit diskriminiert, verfolgt und ermordet. Nach Angaben der Interessenvertretung wurden 23.000 Sinti und Roma aus Deutschland und Europa nach Auschwitz deportiert. Noch heute herrschten viele Vorurteile gegenüber der Minderheit.

Auch andere Länder haben am Freitag den NS-Opfern gedacht. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki rief etwa mit Blick auf den Ukraine-Krieg zu Widerstand gegen einen erneuten Völkermord in Osteuropa auf. »Aus Respekt vor den Opfern des Holocausts und mit der Weisheit, die wir aus dieser Tragödie gewonnen haben, müssen wir heute entschieden und gemeinsam gegen die verbrecherischen Dämonen aufstehen, die in Osteuropa einen Völkermord begehen«, schrieb er auf Facebook. »Solidarität und konsequente Unterstützung für die Ukraine sind wirksame Mittel, um zu verhindern, dass sich der Kreis der Geschichte schließt.«

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gedachte in einem Tweet den Millionen Opfern des Holocausts. »Wir wissen und erinnern uns, dass Gleichgültigkeit ebenso tötet wie Hass«, schrieb Selenskyj.

Am 27. Januar 1945 hatten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz im besetzten Polen befreit. Die Nazis hatten dort mehr als eine Million Menschen ermordet. Seit 1996 wird das Datum in Deutschland als Holocaust-Gedenktag begangen.

© dpa-infocom, dpa:230127-99-376055/11