Noch ist ein Ende der Hochwasserlage in Deutschland nicht in Sicht und das Ausmaß der Flutschäden nicht absehbar - in der Politik aber hat eine Debatte über die möglichen Folgen begonnen. Politiker von SPD und Grünen brachten ein abermaliges Aussetzen der Schuldenbremse ins Gespräch. Die FDP reagierte ablehnend. Der Sprecher der Bundesregierung machte in Berlin deutlich, die Regierung sei für den Fall der Fälle handlungsfähig.
Die Innenministerin des vom Hochwasser besonders betroffenen Niedersachsen, Daniela Behrens (SPD), sagte dem Sender Phoenix, man werde viele Schäden haben, wenn das Wasser zurückgegangen sei. »Wir werden viel investieren müssen, wieder in die Reparierung von Deichschutzanlagen, von Straßen.« Niedersachsen werde auf Hilfe des Bundes angewiesen sein.
SPD-Haushaltspolitiker preschen vor
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde, sagte dem Magazin »Stern«: »Noch ist das gesamte Ausmaß der Flutschäden nicht absehbar, aber für genau solche Fälle haben wir die Möglichkeit, die Schuldenbremse auszusetzen, im Grundgesetz stehen.« Ob diese finanzielle Dimension erreicht werde, werde genau geprüft.
Unterstützung kam von den Grünen. Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte: »Sicher ist, wir werden die Menschen in den Hochwassergebieten mit den Kosten nicht allein lassen. Um die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, ist selbstverständlich auch die Aussetzung der Schuldenbremse 2024 eine Option.«
Aus der FDP dagegen wurden andere Stimmen laut. »Die Menschen in Niedersachsen, die in diesen Tagen das Wasser aus ihren Kellern schöpfen müssen, haben gerade andere Sorgen als die Schuldenbremse«, sagte Fraktionschef Christian Dürr. »Wie hoch der Schaden sein wird, kann heute ohnehin noch niemand beziffern. Dass der Bund die Betroffenen nicht alleine lassen wird, ist völlig klar.« Fraktionsvize Christoph Meyer sagte, es sei momentan nicht ersichtlich, dass Länder und Bund durch das Hochwasser finanziell überfordert seien. »Ein Aussetzen der Schuldenbremse ist daher zurzeit nicht gerechtfertigt.«
Bundesregiergung will Akutphase abwarten
»Im Augenblick geht es darum, ganz akut Hilfe zu leisten«, sagte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit. Das Verteidigungsministerium verwies auf den Einsatz von Hubschraubern, das Innenministerium auf den Einsatz des Technischen Hilfswerks (THW). Hebestreit sagte, nach der Akutphase müsse man schauen, wie groß die Schäden seien. Kommunen, Länder und Bund müssten sich dann zusammensetzen und sagen, wie man mit der Situation umgehe. »Wenn dann eine so hohe Schadenshöhe zusammenkommen sollte, was wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht unterstellen, dann kann auch der Bund handeln«, sagte Hebestreit. Das Wort Schuldenbremse nannte er nicht.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht am Donnerstag Hochwasserregionen in Sachsen-Anhalt. Wie die Bundesregierung mitteilte, will sich Scholz zusammen mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in Oberröblingen, einem Stadtteil von Sangerhausen, über die Hochwasserlage informieren. Geplant ist unter anderem der Besuch eines Deichs, der zu brechen droht. Am Silvestertag hatte sich Scholz bereits im niedersächsischen Verden über die Situation, die Lage der Betroffenen und die Arbeit der Hilfskräfte informiert.
Erneutes Aussetzen der Schuldenbremse umstritten
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht nur eine eng begrenzte Nettokreditaufnahme vor. Sie kann aber im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen ausgesetzt werden, wenn die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird.
Als Folge eines Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts, das für Milliardenlöcher im Bundesetat sorgte, setzte der Bundestag Mitte Dezember für das Jahr 2023 die Schuldenbremse erneut aus - zum vierten Mal in Folge. Für das Haushaltsjahr 2024 will die Ampel-Regierung die Schuldenbremse vorerst nicht aussetzen. Eine Ausnahme aber soll für die Folgen der Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 ergebnisoffen geprüft werden. Dabei geht es um rund 2,5 Milliarden Euro. Auch für den Fall einer veränderten Lage in der Ukraine behält sich die Ampel das spätere Aussetzen und zusätzliche Kredite vor.
Debatte um Katastrophenschutz
Die aktuell angespannte Hochwasserlage zeige, wie wichtig es sei, Hochwasservorsorge zu betreiben, erklärte das Bundesumweltministerium. »Die Folgen der fortschreitenden Klimakrise stellt uns vor immer größer werdende Herausforderungen, auf die wir uns künftig noch besser vorbereiten müssen.« Vor zehn Jahren sei nach den verheerenden Hochwassern an Donau und Elbe das Nationale Hochwasserschutzprogramm von Bund und Ländern erarbeitet worden, um Fläche für den natürlichen Hochwasserrückhalt wiederzugewinnen. Ein Großteil der geplanten Maßnahmen befindet sind nach Ministeriumsangaben noch in der Konzeptions-, Planungs- oder Genehmigungsphase.
Ein Sprecher von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, um die Einsatzfähigkeit des THW weiter zu stärken, sehe das Ministerium »Bedarf« in den Haushaltsjahren 2025 und folgende. Er verwies aber auf dazu notwendige Beratungen in der Koalition. Der Städtetag hatte bereits deutlich mehr Geld für den Katastrophenschutz gefordert. Auf eine Frage zu strukturellen Änderungen sagte Regierungssprecher Hebestreit, der Katastrophenschutz sei sehr gut aufgestellt - und grundsätzlich Ländersache.
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