Nach Ansicht des Jenaer Osteuropa-Historikers Joachim von Puttkamer instrumentalisiert der russische Präsident Wladimir Putin in der Ukraine-Krise geschichtliche Bezüge für seine nationalistischen Bestrebungen.
»Es ist eine Mobilisierung historischer Mythen für nationalistische Zwecke«, sagte von Puttkamer der Deutschen Presse-Agentur. Dabei sei es gar nicht neu, dass Putin der Ukraine die eigene historische Staatlichkeit und damit die Existenzberechtigung als souveräner Staat abspreche. »Er meint es wohl ernst«, sagte von Puttkamer mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen und einen möglicherweise neuen militärischen Konflikt.
»Instrumentalisierung von Geschichte«
Eine unabhängige Ukraine sei für Putin offenbar ein »historischer Irrtum«, den er korrigieren wolle, sagte Puttkamer. »Das ist großrussischer Nationalismus reinsten Wassers, wie wir ihn seit dem 19. Jahrhundert kennen und natürlich ist das eine Instrumentalisierung von Geschichte«, sagte von Puttkamer.
Putin hatte am Montag in einer Fernsehansprache seine Entscheidung zur Anerkennung der beiden selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten begründet und sich dabei auch auf die Geschichte der Ukraine bezogen. Der russische Präsident sprach so, als ob es bis zur Sowjetzeit nie eine Ukraine gegeben hätte. »Die heutige Ukraine ist ganz und gar von Russland erschaffen worden«, sagte Putin beispielsweise.
Der Rede liegt nach Ansicht von Historiker von Puttkamer ein Verständnis von Geschichte zugrunde, das aus dem 19. Jahrhundert stammt: »Dass es eine historische Mission des russischen Staates gebe, alle, wie er (Putin) es sieht, russischen, ostslawischen, orthodoxen Gebiete zusammenzuhalten in einem großen Reich.«
Putin halte die Ukraine für ein Kunstprodukt. Historisch sei das unhaltbar, weil es ein »ukrainisches Eigenständigkeitsbewusstsein und Sonderbewusstsein gegenüber den Russen« spätestens seit dem 17. Jahrhundert gegeben habe, erläuterte von Puttkamer.
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