Logo
Aktuell Inland

Hans Modrow gestorben - Letzter SED-Regierungschef der DDR

Hans Modrow ist tot. Kurz nach dem Mauerfall wurde er 1989 zum Vorsitzenden des DDR-Ministerrats gewählt - nach den ersten freien Wahlen musste er nur fünf Monate später wieder abtreten.

Hans Modrow gestorben
Hans Modrow, ehemaliger SED-Politiker und Delegierter der Linkspartei, starb in der Nacht zum 11.02.2023 im Alter von 95 Jahren, wie die Linksfraktion im Bundestag mitteilte. Foto: Oliver Berg
Hans Modrow, ehemaliger SED-Politiker und Delegierter der Linkspartei, starb in der Nacht zum 11.02.2023 im Alter von 95 Jahren, wie die Linksfraktion im Bundestag mitteilte.
Foto: Oliver Berg

Der letzte DDR-Ministerpräsident der Staatspartei SED, Hans Modrow, ist tot. Er starb in der Nacht zum Samstag im Alter von 95 Jahren, wie die Linke mitteilte. »Hans Modrow wird in unserer Partei als überzeugter Sozialist, aufrechter Mensch und wichtige Persönlichkeit fehlen«, schrieben die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan in einem Nachruf. Fraktionschef Dietmar Bartsch und sein Vorgänger Gregor Gysi erklärten: »Damit verliert unsere Partei eine bedeutende Persönlichkeit.«

Modrow lenkte die Geschicke der DDR von November 1989 bis April 1990. Er verhandelte nach dem Fall der Mauer die ersten Annäherungsschritte mit der Bundesregierung.

Der langjährige SED-Funktionär und spätere PDS- und Linke-Politiker galt als überzeugter Sozialist, der sich zu DDR-Zeiten ein kleines Stück kritische Distanz zur allmächtigen SED bewahrt hatte. In den 1970er Jahren wurde Modrow deshalb aus der Machtzentrale Berlin weg als 1. Bezirkssekretär in die Provinz nach Dresden geschickt. Nach dem Fall der Mauer qualifizierte ihn das für Führungsaufgaben in der sich erneuernden SED. Nur vier Tage danach wurde Modrow am 13. November 1989 zum Vorsitzenden des Ministerrates der DDR als Nachfolger von Willi Stoph gewählt - für rund 150 Tage.

Bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 verlor die SED-PDS die Macht und Modrow einen Monat später sein Amt. Ihm folgte als letzter Ministerpräsident der DDR bis zur Wiedervereinigung der CDU-Politiker Lothar de Maizière.

Modrow wollte ein Stück DDR retten

In seiner fünfmonatigen Amtszeit versuchte Modrow mit seinem Drei-Stufen-Plan noch, ein Stück DDR zu retten. Als Preis für die deutsche Einheit forderte er eine militärische Neutralität des neuen Staates. Im März 1990 gründete seine Regierung die Treuhandanstalt, die den Übergang von der Plan- in die Marktwirtschaft organisieren sollte. Mit dem sogenannten Modrow-Gesetz ermöglichte der DDR-Ministerpräsident zahlreichen Haus- und Hof-Besitzern, die Grundstücke, auf denen ihre Häuser standen und die oft nach dem Krieg enteignet worden waren, sehr preiswert zu kaufen.

»Der gesamte friedliche Verlauf der Herstellung der Deutschen Einheit war gerade ein besonderes Verdienst von ihm. Das wird sein politisches Vermächtnis bleiben«, schrieben Bartsch und Gysi in ihrem Nachruf. »Maßgeblich prägte er auch die Geschichte unserer Partei«, ergänzten Wissler und Schirdewan. »Internationale Solidarität und der Einsatz für Frieden leiteten ihn.«

Thüringens frühere Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) würdigte den Verstorbenen kritisch: »Als es darauf ankam, den friedlichen Übergang von der DDR-Diktatur in ein freies Land abzusichern, übernahm er diese Aufgabe. Das ist sein bleibendes politisches Verdienst«, schrieb sie in einem Gastbeitrag für die »Bild am Sonntag«. Er habe aber auch dafür gesorgt, »dass die alten SED-Kader ihre Schäfchen ins Trockene brachten«.

Nach der Wiedervereinigung saß Modrow von 1990 bis 1994 für die PDS im Bundestag und von 1999 bis 2004 im Europaparlament. Den neuen Staat sah der Sozialist kritisch. Zu schnell sei die deutsche Einheit vollzogen worden, zu bedingungslos sei die DDR untergegangen, und zu einseitig sei sie als »Unrechtsstaat« verdammt worden, rügte Modrow in vielen Interviews. Als Mann der alten Garde trauerte er den einstigen kommunistischen Idealen der DDR hinterher. Bis ins hohe Alter beriet er die Linke als Vorsitzender deren Ältestenrats.

© dpa-infocom, dpa:230211-99-556702/6