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Halle-Attentäter hatte Gegenstand aus Papier und Metall

Nach der Geiselnahme im Gefängnis werden nach und nach mehr Details bekannt. Die Anstaltsleiterin schildert Parlamentariern die Vorgänge. Offene Fragen gibt es weiter zu dem Gegenstand.

Halle-Attentäter
Der Angeklagte Stephan Balliet (l) wird aus dem Gerichtssaal geführt. Foto: Ronny Hartmann
Der Angeklagte Stephan Balliet (l) wird aus dem Gerichtssaal geführt.
Foto: Ronny Hartmann

Bei der Geiselnahme im Gefängnis Burg nahe Magdeburg soll der Halle-Attentäter einen mutmaßlich selbst gebastelten Gegenstand zur Bedrohung der Bediensteten genutzt haben.

Anstaltsleiterin Ulrike Hagemann berichtete im Rechtsausschuss des sachsen-anhaltischen Landtags, sie habe ein gerolltes Blatt Papier gesehen, das mit einem Bleistift verstärkt gewesen sei. Zudem habe sich daran ein Stück Metall befunden wie eine Art Scharnier von einem Schrank oder einem Klodeckel.

Vertreter von Innenministerium und Generalstaatsanwaltschaft erklärten, die Ermittlungen zu dem Gegenstand dauerten an. Es müsse geklärt werden, ob er als Waffe geeignet ist, oder ob es sich um eine Scheinwaffe oder Attrappe handelt.

Einer der gefährlichsten Verbrecher Deutschlands

Der Täter habe den Gegenstand dem Beamten »unmittelbar vor die Stirn gehalten«, den er Montagabend zuerst als Geisel nahm, sagte die Leiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA). Der Beamte habe gewusst, dass er einen der gefährlichsten Verbrecher Deutschlands vor sich habe, der zudem sehr »fantasiebegabt« sei. Der junge Beamte habe die Situation zurecht sehr ernst genommen, so Hagemann. Alles andere wäre fahrlässig gewesen.

Der 30-jährige Stephan Balliet hatte Montagabend zwei Bedienstete in seine Gewalt gebracht und wollte sich den Weg in die Freiheit erzwingen. Er wurde nach weniger als einer Stunde überwältigt.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg zog die Ermittlungen an sich. Das hänge auch mit der Bedeutung des Falles zusammen, sagte ein Sprecher der Behörde. Der Geiselnehmer wurde verhört.

»Gegenstand« vor die Nase gehalten

Die Leiterin des Hochsicherheitsgefängnisses schilderte detailliert die Abläufe. Beim sogenannten Nachtverschluss habe der Gefangene einen JVA-Bediensteten überrumpelt und diesem einen »Gegenstand« vor die Nase gehalten. Der Gefangene habe unmissverständlich gesagt, »wir gehen jetzt raus«. Dieser Aufforderung sei der Bedienstete aus Angst um sein Leben nachgekommen. Durch einen ausgelösten Alarm seien weitere Bedienstete hinzugekommen.

Nach der Öffnung eines Tores durch einen anderen Bediensteten sei der Gefangene auf einen Hof gelangt. Der zweite Bedienstete sei daraufhin als Geisel genommen worden, sagte Hagemann. Weitere Kollegen hätten sich positioniert und den Gefangenen überwältigt, als dieser einen Moment unaufmerksam gewesen sei.

»Wir führen intensive Ermittlungen durch«

Die Anstaltsleiterin lobte das Vorgehen der JVA-Bediensteten bei der Geiselnahme. Insbesondere ein als Geisel genommener Bediensteter habe sich sehr »geschickt« verhalten. Dieser habe die Überwältigung des Gefangenen durch seine Kollegen vorbereitet, als dieser kurz unaufmerksam gewesen sei. Es sei alles umgesetzt worden, was man bei Übungen trainiere, sagte Hagemann. Ihr zufolge handelte es sich bei den als Geiseln genommenen Bediensteten um junge Mitarbeiter.

Bereits am Dienstag war der Attentäter und Geiselnehmer von den Ermittlern vernommen worden. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen. Ob sich der Gefangene zum Vorfall geäußert hat, ist bislang unbekannt. »Wir führen intensive Ermittlungen durch«, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts (LKA).

Der Halle-Attentäter ist derzeit weiter in einem besonders gesicherten Haftraum in der JVA Burg untergebracht. Eine Verlegung des Gefangenen in ein anderes Bundesland steht im Raum. Laut Justizministerium ist das nach einem solchen Vorfall ein übliches Vorgehen.

Der Attentäter war im Dezember 2020 zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er hatte am 9. Oktober 2019, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Als es ihm nicht gelang, auf das Gelände zu kommen, ermordete er vor der Synagoge eine 40 Jahre alte Passantin und in einem nahe gelegenem Döner-Imbiss einen 20-Jährigen. Auf der Flucht verletzte er weitere Menschen. Schon für das Attentat in Halle hatte der Täter Waffen selbst gebaut.

Anstaltsleiterin Hagemann sagte, im Gefängnis hätten die Insassen sehr viel Zeit und entwickelten viel Fantasie, wie sie Alltagsgegenstände umbauen und umnutzen könnten. Sie betonte, die Post des Attentäters und Geiselnehmers sei genau kontrolliert worden. Bei Besuchen sei sehr genau hingeschaut worden, um etwa Übergaben verbotener Gegenstände zu verhindern.

© dpa-infocom, dpa:221214-99-893394/9