BERLIN. Es ist eine der kompliziertesten Steuern Deutschlands - auch deshalb scheuten viele Finanzminister vor einer Reform zurück. Bis dann das Bundesverfassungsgericht auf den Plan trat und völlig veraltete Bemessungsgrundlagen kritisierte.
Der Wert der Grundstücke wurde bewertet nach 1964 (Westdeutschland) und 1935 (Ostdeutschland) festgelegten Werten; gerade in Städten sind diese seither gestiegen.
Was ist die Grundsteuer?
Es ist ein Steuer auf das Eigentum an Grundstücken und Gebäuden. Die Grundsteuer A ist für land- und forstwirtschaftliches Eigentum, wie zum Beispiel Felder; die Grundsteuer B wird für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude erhoben.
Wie wichtig ist die Grundsteuer bisher?
Sie deckt 15 Prozent kommunaler Steuereinnahmen - nach Gewerbe-, Lohn-, Einkommens- und Umsatzsteuer ist es die drittwichtigste Einnahmequelle von Städten und Gemeinden. Die Einnahmen aus der Grundsteuer A lagen 2017 bei 400 Millionen Euro. Die Grundsteuer B brachte 13,56 Milliarden Euro - insgesamt 14 Milliarden Euro im Jahr. Ohne das Geld drohen spürbare Leistungseinschnitte und Sparmaßnahmen, zum Beispiel bei Schulen, Kitas, Theatern und Schwimmbädern.
Warum zahlen auch Millionen Mieter die Grundsteuer?
Der Vermieter kann die Grundsteuer des Gebäudes als Betriebskosten auf die Nebenkosten umlegen. Daher zahlen auch Mieter in Deutschland indirekt Grundsteuer, obwohl sie keine Anteile an der Immobilie besitzen. Unter anderem SPD, Grüne und Linke fordern, die Grundsteuer nicht mehr auf Mieter abzuwälzen - dann könnte diese aber in die Kaltmieten eingepreist werden. Mieter zahlen 19 Cent im Schnitt pro Quadratmeter, bei 100 Quadratmetern 19 Euro im Monat.
Wie wird sie berechnet?
Die Grundsteuer berechnet sich aus dem Einheitswert mal die Steuermesszahl mal Hebesatz. Jede Kommune kann diesen Hebesatz selbst festlegen, weshalb auch Modellrechnungen schwierig sind - die Steuerbelastung ist überall unterschiedlich, im Prinzip werden tausende unterschiedliche Sätze gezahlt. Im Ruhrgebiet ist zum Beispiel der Hebesatz besonders hoch, da viele Kommunen klamm sind. Ein Beispiel: Der Einheitswert der Immobilie beträgt 100.000 Euro. Für ein Wohnhaus beträgt die Steuermesszahl bisher 3,5 Promille. Daraus errechnet sich ein Grundsteuermessbetrag von 350 Euro (100.000 geteilt durch 1000 multipliziert mit 3,5). Diese 350 Euro werden dann mit dem Hebesatz multipliziert. Liegt dieser bei 500 Prozent, sind 1750 Euro Grundsteuer im Jahr zu zahlen - in vierteljährlichen Raten.
Worum dreht sich der Streit bei der Reform?
Im Bundesfinanzministerium haben sich für die beiden zur Debatte stehenden Modelle die Abkürzungen »WAM« und »WUM« eingebürgert. »WAM« steht für wertabhängiges Modell und ist aus Sicht von Minister Olaf Scholz (SPD) das Modell, das Vorgaben des Verfassungsgerichts für eine zeitgemäße und sozial gerechte Besteuerung erfüllt. Er will 36 Millionen Häuser, Wohngebäude und Grundstücke neu bewerten und aus fünf Faktoren eine individuelle Grundsteuer errechnen lassen: Nettokaltmiete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und regionaler Bodenrichtwert. Es droht ein »Bürokratiemonster«, sagen die Gegner - dazu zählen Bayern, Niedersachsen die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, die FDP und Immobilienverbände. Sie sind ein wertunabhängiges Modell (»WUM«, wo die Steuer nur pauschal nach der Fläche berechnet wird.
Was sind Vorteile und Nachteile des »WAM«-Modells?
Es wäre gerechter, da die im Wert weit höher anzusetzende Villa im Zentrum einer Großstadt höher besteuert wird, als der Bauernhof auf dem Land. Aber der enorme Aufwand und Mehrbelastungen für Mieter führen zu viel Widerstand. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betont: »Alleine in Bayern müssten wir 3400 neue Steuerbeamte einstellen«. Steigende Mieten würden zudem alle Pläne konterkarieren, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. »Eine solche Regelung würde tausende Gutachter und Finanzbeamte beschäftigen und zu einer Flut von Klagen führen«, meint der FDP-Finanzexperte Florian Toncar.
Wie könnte die Lösung aussehen?
Aus einem Mix, der Bewertung von Fläche und regionalen Gebäudewerten, womöglich ohne Einbeziehung der Nettokaltmiete. Im Gespräch ist eine Orientierung an Fläche und dem Bodenrichtwert, das Bodenwertmodell. Heute ist die Steuer auch schon kompliziert, diverse Daten sind anzugeben, bis hin zur Info, ob es eine Badewanne gibt. Scholz setzt darauf, dass in Städten über den Parameter des individuellen Hebesatzes dafür gesorgt wird, dass die Belastungen für Mieter nicht zu stark steigen. Es gibt auch Forderungen aus seiner eigenen Partei, die Umlage ganz zu streichen - dann müssten aber Immobilienbesitzer mehr zahlen und könnte die Kosten auf die Nettokaltmiete umlegen. Ein wenig gleicht das Ziel, eine verfassungskonforme Reform ohne spürbare Mehrbelastungen für bestimmte Gruppen, einer Quadratur des Kreises.
Warum drängt die Zeit?
Um eine Reform durch Bundestag und Bundesrat zu bringen, braucht es Monate, dazwischen ist eine lange Sommerpause. Die Beamten müssten im Februar mit der Ausarbeitung eines Gesetzes beginnen, damit es wirklich bis Ende des Jahres beschlossen ist. Ohne Reform bis Ende 2019 droht ein Wegfall der Milliardeneinnahmen. Ab 2020 sollen die Bürger die Steuererklärung mit den Angaben zur neuen Grundsteuer ausfüllen - sie muss bis spätestens 2025 in der neuen Form bundesweit kassiert werden. Aber es braucht Jahre für den Aufbau des Systems und zur Prüfung der Angaben. Das zeigt, wie komplex alles ist. Es gibt bereits Vorschläge, die Grundsteuer zu streichen und die Kommunen mit einem höheren Anteil an der Einkommensteuer zu beteiligen. (dpa)