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Grünen-Rebell Palmer lässt Mitgliedschaft ruhen

Kaum jemand bei den Grünen hat so viele Gegner wie Boris Palmer. Vor allem Parteilinke wünschten sich nach Rassismusvorwürfen seinen Rauswurf. Doch nun gibt es einen Kompromiss mit dem Querkopf.

Boris Palmer
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer lässt seine Parteimitgliedschaft ruhen. Foto: Christoph Schmidt
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer lässt seine Parteimitgliedschaft ruhen.
Foto: Christoph Schmidt

Tübingens Oberbürgermeister und Parteirebell Boris Palmer hat seinen Rauswurf bei den Grünen vorerst abgewendet, muss seine Mitgliedschaft aber bis Ende 2023 ruhen lassen.

Knapp ein Jahr nach dem Beschluss für ein Ordnungsverfahren wegen Tabubrüchen und Rassismusvorwürfen verständigten sich die Südwest-Grünen und der 49-Jährige am Wochenende auf diesen Kompromiss und vermieden somit ein langes Gezerre. Palmer verbesserte mit dem schnellen Vergleich wohl auch seine Chancen bei der OB-Wahl in der Universitätsstadt im Herbst, bei der er als unabhängiger Kandidat antritt. Jedoch gab es noch am Wochenende neue Verstimmungen über die Frage, ob Palmer mit dem Vergleich nun bestraft worden sei oder nicht.

Palmer verstieß gegen Partei-Grundsätze

Das zuständige Schiedsgericht in Stuttgart schlug am Samstag nach einer Verhandlung vor, dass Palmer wegen verschiedener Verstöße »gegen Grundsätze und Ordnung der Partei« seine Mitgliedschaft bis Ende 2023 ruhen lassen solle. Es verzichtete darauf, Palmers Provokationen als parteischädigendes Verhalten einzustufen. Noch am Abend erklärte er sich mit dem Vergleich einverstanden. Der Landesvorstand beriet am Sonntag und votierte einstimmig für den Kompromiss. Der sieht zudem vor, dass die Partei und Palmer im nächsten Jahr darüber sprechen wollen, wie er »zukünftig kontroverse innerparteiliche Meinungen äußern könnte unter Beachtung der Grundsätze und Ordnung der Partei«. Auch der Bundesvorstand begrüßte den Kompromiss.

Grüne sehen Schuldeingeständnis

Die Südwest-Grünen bestehen darauf, dass der Vergleich das Verhalten Palmers sanktioniere. »Mit der Einigung auf das Vergleichsangebot hat Boris Palmer anerkannt, dass er gegen die Grundsätze und die Ordnung der Partei verstoßen hat«, erklärten die beiden Grünen-Landeschefs Lena Schwelling und Pascal Haggenmüller. »Das ist ein wichtiges Zeichen, auch für all diejenigen in der Partei, die in den vergangenen Jahren immer wieder durch diese Debatten aufgerieben wurden.« Palmer hat bei den Parteilinken viele erbitterte Gegner. Nun sei klar: »Boris Palmer hat die Grenzen dessen überschritten, was wir als Partei aushalten müssen.« Mit dem Vergleich könne sich die Partei wieder ganz auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren.

Palmers Versprechen im Fall einer OB-Wiederwahl

Palmer reagierte auf Facebook: »In Überzeugung und Taten bleibe ich ohnehin grün.« Das Wesen eines Vergleichs sei, »dass man sich nicht in vollem Umfang durchsetzt«. Er versprach, im Fall einer Wiederwahl in Tübingen wäre er ab Anfang 2024 wieder einer der wenigen grünen OB im Südwesten, »auf die sich die Partei uneingeschränkt stützen kann«. Kurz vor der Verhandlung hatte der Landesvorstand angekündigt, Palmers Kandidatur in Tübingen gegen die offizielle grüne Bewerberin Ulrike Baumgärtner als weiteren Ausschlussgrund in das Verfahren einzuspeisen. Mit dem Vergleich ist auch das passé.

Palmers Anwalt Rezzo Schlauch kritisierte allerdings, es sei »irreführend« davon zu sprechen, sein Mandant sei sanktioniert worden. Palmer stimme zu, seine Mitgliedsrechte eine Zeit lang ruhen zu lassen. »Er wird also nicht bestraft, sondern trägt seinen Teil dazu bei, den Konflikt zu befrieden«, betonte Schlauch. Im Gegenzug müsse der Landesvorstand hinnehmen, »dass er mit seinem Ansinnen, meinen Mandanten aus der Partei zu entfernen, gescheitert ist«.

Sein größter Ausrutscher auf Facebook

Zurück zur Vorgeschichte: Auf einem Landesparteitag Anfang Mai 2021 beschlossen die Grünen ein Ausschlussverfahren gegen Palmer. Letzter Auslöser war ein Facebook-Post Palmers über den früheren deutschen Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, in dem der OB das sogenannte N-Wort benutzt. Mit diesem Begriff wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Palmer beteuerte, seine Äußerung sei ironisch gemeint gewesen. Im November beantragte der Landesvorstand den Parteiausschluss. Die damaligen Landeschefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand erklärten: »Für jemanden, der mit Rassismus kokettiert und Ressentiments schürt, ist bei uns kein Platz.« Darauf formierten sich aber auch Unterstützer Palmers und verwiesen auf seine Leistungen als Klimaschützer in der Unistadt.

© dpa-infocom, dpa:220423-99-18134/5