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Gauck würde notfalls selbst zur Waffe greifen

Was würde der Ex-Bundespräsident tun, wenn nicht die Ukraine, sondern Berlin angegriffen würde? Gauck warnt: Der pazifistische Ansatz führe in einem solchen Szenario zur »Dominanz der Bösen«.

Joachim Gauck
»Der Gewissenlose befragt sich nicht, ob es recht ist, die Waffe zu nehmen, um seine Ansprüche durchzusetzen«: Joachim Gauck. Foto: Stefan Sauer
»Der Gewissenlose befragt sich nicht, ob es recht ist, die Waffe zu nehmen, um seine Ansprüche durchzusetzen«: Joachim Gauck.
Foto: Stefan Sauer

Altbundespräsident Joachim Gauck hat angesichts des Krieges in der Ukraine vor falschem Pazifismus gewarnt und erklärt, er würde notfalls selbst zur Waffe greifen.

»Ich würde mir wünschen, es nicht tun zu müssen. Aber in einem solchen Fall würde ich es tun, ja«, sagte der 82-Jährige am gestern Abend in der ZDF-Sendung »Markus Lanz«. Lanz hatte zuvor darauf hingewiesen, dass es in Deutschland eine andere Debatte gäbe, wenn nicht die Ukraine, sondern Berlin angegriffen würde. Er fragte Gauck, ob er als ehemaliger Pastor in einem solchen Fall zur Waffe greifen und auf jemanden schießen würde.

Gauck nannte den pazifistischen Ansatz im persönlichen Leben »ehrenvoll«. Er sei aber ein Ansatz, »der nicht zum Guten führt, sondern der die Dominanz der Bösen, der Verbrecher und der Unmenschlichen zementieren würde«.

Der frühere Bundespräsident warnte vor einer »Kapitulation vor den Gewissenlosen« und sagte: »Der Gewissenlose befragt sich nicht, ob es recht ist, die Waffe zu nehmen, um seine Ansprüche durchzusetzen.« Dies machten nur die Gewissenhaften. »Und wenn die Gewissenhaften aus Scheu vor dem Verteidigungshandeln, auch vor dem robusten Verteidigungshandeln, sagen «Nein, ich mache mir die Finger nicht schmutzig», dann verraten sie die Wertebasis, die ihnen aber eigentlich das Leben doch so ermöglich hat, wie sie es gerade leben.«

Gauck sieht Wandel in der Bevölkerung

Gauck sprach von einer »Neubesichtigung der Notwendigkeit, das zu verteidigen, was uns ans Herz gewachsen ist, was uns Freiheit, inzwischen auch erheblichen Wohlstand gebracht hat«. Er stellte fest: »Erstaunlicherweise gibt es einen Wandel in der Bevölkerung hin zu mehr Bereitschaft, das eigene Land zu verteidigen und auch die Verteidigungsausgaben, so wie sie jetzt beschlossen worden sind, zu akzeptieren. Das ist über Jahrzehnte anders gewesen.«

Der Vorgänger von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief zu Solidarität gegenüber dem »überfallenen Opfer« Ukraine auf. Es werde zu ertragen sein, wenn in Deutschland beim Heizen die Temperaturen etwas heruntergedimmt würden. »Und eine Wohlstandslücke kann man auch überleben«, sagte Gauck mit Blick auf die drohenden wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs für Deutschland. Aus einer Delle könne wieder ein Aufschwung werden. »Und es ist auch nicht gesagt, dass wir in immer wachsendem Wohlstand leben werden.«

»Wir sind nicht nur die, die Wirtschaftswunder können«

Die Deutschen dürften von sich nicht zu gering denken, sagte Gauck. »Wir sind nicht nur die, die Wirtschaftswunder können. Sondern wir sind auch die, die einmal die Zähne zusammenbeißen können, wenn wir damit anderen Menschen helfen können.« Es gehe um die Frage, ob man wirklich Furcht haben müsse, »dass uns Leben misslingt«, so Gauck. »Oder ob wir nur in eine Phase hineingehen, wo die schönsten Träume nicht verwirklicht werden können, wo wir vielleicht nur einmal in den Urlaub fahren anstatt zweimal.«

Dies alles werde in einem Sozialstaat debattiert. »Wir haben bisher keine Signale dafür, dass die Ärmsten, denen das Sparen wirklich schwer fällt, dass die aus dem Blick geraten«, sagte Gauck.

© dpa-infocom, dpa:220714-99-19683/4