Altkanzler Gerhard Schröder hat sich hinter das Nein von Bundeskanzler Olaf Scholz zur Lieferung von Taurus-Raketen in die Ukraine und die grundsätzliche Absage an eine Entsendung von Bodentruppen gestellt. »Ich finde, Olaf Scholz macht das, was ich von einem deutschen Bundeskanzler zurzeit erwarten würde«, sagte der frühere SPD-Chef Schröder der Deutschen Presse-Agentur. Gleichzeitig forderte er eine deutsch-französische Initiative für Verhandlungen über eine Konfliktlösung in der Ukraine.
Auf die Frage, ob er sich einen »Friedenskanzler« Scholz wünsche, sagte der 79-Jährige: »Ja, den wünsche ich mir.« Er fügte hinzu: »Wenn jemand als deutscher Bundeskanzler sich für den Frieden einsetzt, wenn jemand als «Friedenskanzler» beschrieben wird, ist das denn negativ?«
Union fordert Scholz zu Kurswechsel auf
Die Union nutzte die Äußerungen, um Scholz zum Kurswechsel in der Taurus-Frage aufzufordern. »Von Gerhard Schröder gelobt und vereinnahmt zu werden, zeigt eindeutig, dass er auf dem falschen Weg ist«, sagte CSU-Chef Markus Söder. »Ich würde mir das dringend noch mal überlegen, und dieses Lob würde ich mir dann als Bundeskanzler echt verbitten.« CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte: »Wer Freunde, Unterstützer wie den Ex-Kanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder hat, der braucht eigentlich keine politischen Feinde mehr.«
Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann reagierte gelassen auf die Schröder-Einlassungen: Sie glaube nicht, dass die Äußerungen Scholz »in irgendeiner Weise« beeinflussen würden. »Die Position des Bundeskanzlers zu der Frage Unterstützung der Ukraine ist ja sehr deutlich.«
Einfrieren des Kriegs: Auch Mützenich wird in Schutz genommen
Schröder nahm auch den SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in Schutz, der für seine Äußerung zum Einfrieren des Kriegs auch aus den Reihen der Ampel-Koalition scharf kritisiert wird. »Mir scheint, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Rolf Mützenich, auf dem richtigen Weg ist. Seine Position sollte von der Partei und Fraktion unterstützt werden«, forderte der Altkanzler.
Mützenich hatte vergangenen Donnerstag in der Bundestags-Debatte über eine Taurus-Lieferung gefragt: »Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?«
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) distanzierte sich am Montag während eines Besuchs in Warschau von der Idee des Chefs der Abgeordneten seiner Partei im Bundestag. »Es würde am Ende nur Putin helfen«, sagte er. Es sei zwar eine Position, die man vertreten könne, um sich für den Frieden auszusprechen. »Aber einen Diktatfrieden darf es nicht geben und keinen Frieden, der dazu führt, oder einen Waffenstillstand oder ein Einfrieren, bei dem Putin am Ende gestärkt herausgeht und den Konflikt fortsetzt, wann immer es ihm beliebt.«
Seit seiner Kanzlerschaft mit Putin befreundet
Schröder ist seit seiner Kanzlerschaft von 1998 bis 2005 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet und weiterhin für die mehrheitlich russischen Gesellschaften der Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee tätig. Er hat den russischen Angriff auf die Ukraine zwar als Fehler bezeichnet, hält aber dennoch an seiner Freundschaft zu Putin fest. Von der SPD-Spitze wird er daher ausgegrenzt, ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn scheiterte aber.
Scholz hatte vor drei Wochen sein Nein zu einer Lieferung der Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern damit begründet, dass Deutschland in den Krieg hineingezogen werden könnte. Kurz darauf stellte er sich klar gegen die Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine als Option auf dem Tisch zu lassen.
Hilft das Taurus-Nein Putin? »Das ist doch schlicht lächerlich«
Schröder teilt beide Positionen des Kanzlers. »Das sind zwei Festlegungen, die er getroffen hat. Ich unterstütze sie. Und ich hoffe, ich schade ihm damit nicht«, sagte er der dpa. Er nahm den Kanzler gegen die Kritik in Schutz, dass er mit seinem Nein zu Taurus Putin in die Hände spiele. »Das ist doch schlicht lächerlich«, sagte Schröder dazu. »Diese Attacken, die da eine Rolle spielen, die kann ich nicht ernst nehmen. Weder von Frau Strack-Zimmermann noch von anderen.«
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, gilt als schärfste Kritikerin des Taurus-Neins in der Ampel-Koalition und hat sogar für zwei Unions-Anträge gestimmt, in denen die Lieferung der Marschflugkörper gefordert wird. Einen Tipp, wie Scholz mit den Kritikern in der Ampel umgehen sollte, hat Schröder nicht. »Das ist nicht eine Sache, die ich lösen muss, sondern die der Bundeskanzler lösen muss. Ich halte deren Positionen für falsch. Ich halte die von Olaf Scholz für richtig.«
Vergleich mit Nein zum Irak-Krieg »unhistorisch«
Die Absage von Scholz an die Taurus-Lieferung ist zuletzt immer wieder mit dem Nein Schröders zu einer deutschen Beteiligung an der US-Invasion im Irak 2002 verglichen worden. Der Altkanzler hatte den USA damals nach den verheerenden Anschlägen islamistischer Terroristen in den USA vom 11. September 2001 zunächst »uneingeschränkte Solidarität« zugesichert und die Bundeswehr in den Afghanistan-Einsatz geschickt. Beim Irak-Krieg ging er dann aber nicht mehr mit.
Schröder hält den Vergleich zu Scholz' Taurus-Nein zwar für »unhistorisch«. Allerdings würde er sich wünschen, dass Deutschland und Frankreich wie damals beim Nein zum Irak-Krieg jetzt auch bei der Suche nach einer Friedenslösung in der Ukraine an einem Strang ziehen würden. »Denn das sind die Mächte, die Diskussionsmöglichkeiten haben aufgrund der langen Geschichte, die auch mit Russland besteht«, sagte er. »Deshalb wäre es angemessen, wenn diese beiden ihre Unterstützung der Ukraine verbinden würden mit dem Versuch, zu einer Lösung dieses Konfliktes zu kommen. Und prinzipiell lösbar müsste das eigentlich sein.«
Diskussion über Profilierung als Friedenskanzler »merkwürdig«
Für die Kritik, Scholz wolle sich wie er damals als »Friedenskanzler« profilieren, zeigt Schröder keinerlei Verständnis. »Ich finde diese ganze Diskussion wirklich merkwürdig, die da schlicht heißt: Man darf sich für den Krieg einsetzen, egal auf welcher Seite, aber für den Frieden nicht. Also das finde ich ganz falsch«, sagte er. »Ich sehe, wie jetzt versucht wird, Scholz als jemanden darzustellen, der zu Unrecht versucht, Frieden zu schaffen. Seit wann ist das nicht Aufgabe eines verantwortlichen Politikers in Deutschland, aber auch über Deutschland hinaus, Frieden zu vermitteln? Das ist doch eine selbstverständliche Aufgabe.«
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