Der Krieg in der Ukraine stellt nach Einschätzung von Forscherin Claudia Baumgart-Ochse auch die deutsche Friedensbewegung vor Herausforderungen.
»Wir leben plötzlich mit einem Krieg in unserer Nachbarschaft. Und das stellt uns alle vor große Fragen - und natürlich auch die Friedensbewegung«, sagte die Forscherin vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) am Samstagmorgen im rbb-Inforadio.
Ihrer Meinung nach ist der Slogan »Frieden schaffen ohne Waffen« derzeit naiv. Die Ostermärsche und die Friedensbewegung stammten aus der Zeit des Kalten Krieges. Jetzt aber werde geschossen, und es sei ein heißer Krieg, der noch dazu mit Kriegsverbrechen geführt werde. »Und deswegen ist tatsächlich (...) der Slogan jetzt akut ein naiver, weil man damit ja der Ukraine das Recht abspricht, sich auch zu verteidigen«, sagte Baumgart-Ochse.
Forscherin: Respekt vor pazifistischen Positionen
Katapultiert sich die Friedensbewegung mit solchen Parolen in die Bedeutungslosigkeit? Baumgart-Ochse sieht das nicht so. Die Friedensbewegung habe immer eine wichtige Rolle gespielt, und sie selbst habe großen Respekt vor pazifistischen Positionen. »Aber man muss schon schauen: Was ist sozusagen aktuell richtig und wichtig?« Auch in der Friedensforschung wollten sie, dass Waffen abgerüstet würden. Aber dafür müsse der richtige Moment sein.
In etlichen deutschen Städten wird derzeit zu Ostermärschen aufgerufen. Der Impuls, für Frieden zu demonstrieren, sei erstmal eine gute Sache, sagte Baumgart-Ochse. Sie rät aber, genau zu überlegen, mit wem man auf die Straße gehe, wer das organisiere und was die Begründungen für den Protest seien.
»Und ich habe in manchen Aufrufen schon den Eindruck, dass da die russischen Propaganda durchscheint.« Baumgart-Ochse sagte, man müsse klar Ross und Reiter nennen. »Wir haben hier eine russische Aggression.«
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