BERLIN. Nach mehrwöchiger Corona-Pause haben die Klimaaktivisten von Fridays for Future ihre wöchentlichen Streiks wieder aufgenommen.
In mehr als 30 Städten, darunter Berlin, Köln und Hamburg, versammelten sich an diesem Freitag bei sengender Hitze die Anhänger der Bewegung, um für eine ambitioniertere und sozial gerechte Klimapolitik einzutreten.
Fridays for Future wirft der Bundesregierung seit längerem vor, nicht genügend zu unternehmen, um eine Erderwärmung von deutlich mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu verhindern. Auch Vertreter von Sozialverbänden, Gewerkschaften und Kirchen beteiligten sich an den Protestaktionen, die von nun an wieder wöchentlich stattfinden sollen. Pandemiebedingt war der Protest in den vergangenen Monaten nur eingeschränkt möglich gewesen.
Mit Abstand und Maske - und in Kanus
Wie die Organisatoren am Nachmittag mitteilten, gab es vielerorts, etwa in Berlin, München und Düsseldorf, erstmals seit langem wieder Fußmärsche - mit Abstand und Maske. Mancherorts waren die Demonstranten auch mit Fahrrädern unterwegs.
Zu einer besonderen Aktion kam es in Rostock: Dort protestierten Aktivisten in Kanus auf der Ostsee gegen den Bau der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2. Für Fridays for Future steht das Projekt sinnbildlich für das Festhalten an fossilen Brennstoffen, die dem Klima schaden, weil sie mit einem hohen Treibhausgasausstoß verbunden sind.
Teilnehmerzahlen für alle Städte nannte Fridays for Future zunächst nicht, gab aber an, dass es beispielsweise in Hamburg etwa 3000 Demonstranten gewesen seien.
Exakt hundert Tage vor der Bundestagswahl wollen die Aktivisten auch im Schulterschluss mit zivilgesellschaftlichen Organisationen ein Zeichen setzen.
Verdi-Chef Frank Werneke mahnte an, die soziale Dimension der Klimawende in den Vordergrund zu rücken. »Für die gesellschaftspolitisch gerechte Transformation ist die Frage eines starken, sozial gestaffelten finanziellen Ausgleichs wichtig«, sagte Werneke der Deutschen Presse-Agentur. Spätestens nach der Bundestagswahl müsse dieses Thema konkret umgesetzt werden. Es sei wichtig, den Menschen Ängste zu nehmen und das Thema Klimaschutz positiver zu besetzen, forderte Werneke weiter. »Nur aus Ängsten heraus kann keine gute Politik entstehen.« Auch Verdi-Mitglieder haben sich in Berlin und anderen Städten am Freitag unter die Demonstranten gemischt.
Luisa Neubauer kritisiert die politischen Parteien
Zum Auftakt der Demonstrationen hatte die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer den politischen Parteien »eine verlogene Klimadebatte« vorgeworfen. Ärmere Menschen würden »als Ausrede genutzt«, um weniger Klimaschutz zu betreiben, sagte Neubauer der Deutschen Presse-Agentur. Dabei hätten die politisch Verantwortlichen »jahrzehntelang soziale Ungerechtigkeit befürwortet und eine Politik für die Wirtschaft und nicht für die Menschen gemacht«, erklärte die Aktivistin.
In der Debatte um Billigflüge und höhere Benzinpreise sei der Eindruck entstanden, als ob mehr Klimaschutz wegen sozialer Fragen nicht möglich wäre, sagte Neubauer. Dabei sei es Aufgabe der Politik, einen angemessenen sozialen Ausgleich zu schaffen. »Die Regierung muss anfangen, mit den Leuten Klartext darüber zu sprechen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.«
In der kommenden Woche wollen sich Bundestag und Bundesrat abschließend mit dem neuen Klimaschutzgesetz der Bundesregierung befassen. Demnach soll Deutschland bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral werden, also nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie wieder gebunden werden können. Bis 2030 will die Bundesregierung die klimaschädlichen Gase um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert haben. Auch ein Maßnahmenpaket, das aufzeigen soll, wie genau Deutschland die Ziele erreichen will, soll noch nächste Woche durchs Kabinett.
Die Aktivisten von Fridays for Future und Umweltverbände halten die Pläne für nicht ambitioniert genug und fordern etwa, das Ziel der Klimaneutralität um zehn Jahre, auf 2035, vorzuziehen. (dpa)