Carcassonne. Der Polizist, der sich bei dem islamistischen Terroranschlag in Südfrankreich als Geisel eintauschen ließ, ist tot. Das teilte der französische Innenminister Gérard Collomb am Samstagmorgen bei Twitter mit. »Frankreich wird niemals sein Heldentum, seine Tapferkeit und sein Opfer vergessen«, schrieb Collomb. Staatspräsident Emmanuel Macron erklärte: »Indem er sein Leben gegeben hat, um die mörderische Eskapade eines dschihadistischen Terroristen zu stoppen, ist er als Held gefallen.«
Arnaud Beltrame (45) hatte sich bei der Geiselnahme in einem Supermarkt im kleinen Ort Trèbes freiwillig in die Gewalt des Täters begeben, der dort zuvor schon zwei Menschen getötet hatte. Er habe »unter Einsatz seines Lebens entschieden, den Platz der Geiseln einzunehmen, die im Innern des Supermarktes festgehalten wurden«, berichtete Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins am Freitagabend.
Allerdings gab es widersprüchliche Angaben, ob der Mann sich gegen eine oder mehrere Geiseln eintauschen ließ - in der Mitteilung von Macrons Élyséepalast hieß es, der Beamte habe das Leben »einer zivilen Geisel« gerettet. Die Gendarmerie schrieb auf Twitter hingegen, Beltrame habe sein Leben »für die Freiheit der Geiseln« gegeben. Sie war für eine Klärung zunächst nicht erreichbar.
Der Beamte hatte laut Collomb sein Telefon mit einer offenen Verbindung auf einem Tisch liegen lassen. So hätten die Einsatzkräfte hören können, was sich im Supermarkt abspielte. Er wurde lebensgefährlich verletzt, als der Angreifer unter noch nicht ganz geklärten Umständen auf ihn schoss - daraufhin stürmte die Polizei das Gebäude und erschoss den Täter. Auch zwei weitere Beamte wurden bei dem Zugriff verletzt.
Der 25-jährige Radouane L. hatte am Freitag bei mehreren Attacken in der Region Carcassonne auf Menschen geschossen. Mit dem Tod des Beamten stieg die Anzahl der von ihm Getöteten auf vier. Der Angreifer hatte sich selbst als »Soldat« des Islamischen Staates (IS) bezeichnet. Diese sunnitische Terrormiliz hatte seine Anschläge anschließend für sich reklamiert.
Die Ermittler wollen nun die Hintergründe aufklären - insbesondere, ob der Angreifer Mitwisser oder Unterstützer hatte. Auch die Herkunft seiner Waffe solle untersucht werden, sagte Chefermittler Molins am Freitagabend. Eine Frau aus dem Umfeld des Täters sowie ein minderjähriger Freund von Radouane L. wurden in Polizeigewahrsam genommen.
Der Angreifer hatte Vorstrafen wegen kleinerer Delikte, auch eine kurze Haftstrafe saß er ab. Die Behörden hatten ihn aber auch seit Jahren wegen möglicher Radikalisierung in einer Datenbank erfasst. 2016 und 2017 wurde er deshalb sogar überprüft - in welcher Form, ist nicht bekannt. Molins sagte, dabei hätten sich keine Anzeichen für die Vermutung ergeben, dass der Mann zu einer Terrortat schreiten könnte.
Vor der Supermarkt-Attacke hatte der Mann einige Kilometer entfernt in Carcassonne bereits einen Menschen getötet und einen weiteren schwer verletzt, als er deren Auto raubte. Anschließend schoss er auf Bereitschaftspolizisten, die gerade vom Joggen in ihre Kaserne zurückkamen, und verletzte einen von ihnen an der Schulter. Danach fuhr er nach Trèbes und betrat den Supermarkt.
Staatspräsident Macron versprach den Franzosen seine »absolute Entschlossenheit« für den Kampf gegen den Terrorismus. Frankreich war in den vergangenen Jahren mehrfach Ziel islamistischer Anschläge. Vor allem die schweren Attacken von Paris 2015 und Nizza 2016 hatten das Land schwer erschüttert.
Der italienische Regierungschef Paolo Gentiloni twitterte am Samstag: »Solidarität mit der französischen Gendarmerie für den heroischen Tod von Oberstleutnant Arnaud Beltrame.« Er fügte hinzu: »Vereint gegen den Terrorismus.«
In den vergangenen Monaten war es in Frankreich ruhig geblieben, auch wenn die Behörden regelmäßig vor einer anhaltend hohen Terrorgefahr warnen. Zuletzt hatte im Oktober ein Angreifer in Marseille zwei Frauen erstochen, auch dabei hatte der IS die Tat für sich reklamiert. Innenminister Collomb hatte Ende Februar mitgeteilt, dass seit Jahrestag zwei Anschläge auf eine Sportstätte und auf Militärkräfte vereitelt worden seien.
Präsident Macron sagte, die terroristische Bedrohung komme inzwischen vor allem von innen - von Personen, die sich selbst radikalisiert hätten. Frankreich sei aber nicht mehr in einer Lage wie vor zwei oder drei Jahren, wo Anschläge in Frankreich vom irakisch-syrischen Kriegsgebiet aus gesteuert worden seien. Dies war nach Darstellung der Ermittler bei den Pariser Terroranschlägen vom 13. November 2015 der Fall.
(dpa)