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Fortschritt im Nato-Streit? Kristersson besucht Erdogan

Die Nato-Norderweiterung steckt Monate nach den Anträgen von Schweden und Finnland fest. Hauptgrund ist die Blockadehaltung der Türkei. Der neue schwedische Ministerpräsident versucht zu schlichten.

Ulf Kristersson
Ulf Kristersson spricht im Parlament in Stockholm. Foto: Jonas Ekströmer
Ulf Kristersson spricht im Parlament in Stockholm.
Foto: Jonas Ekströmer

Seit Monaten stellt sich die Türkei in Sachen Nato-Norderweiterung quer - nun hofft Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson, das Eis mit einem Besuch in Ankara brechen zu können. Bei einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan will der neue schwedische Ministerpräsident am Dienstag dafür werben, den Weg für die Nato-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands frei zu machen. Ob das trotz jüngster Annäherungen gelingt, ist fraglich.

Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatten Schweden und Finnland Mitte Mai die Aufnahme in die Nato beantragt. Zuvor waren die beiden nördlichsten Staaten der EU zwar bereits enge Partner, jedoch keine Mitglieder der Verteidigungsallianz gewesen. Das wollten Stockholm und Helsinki schnellstmöglich ändern.

Aus der Nato kam dafür reichlich Rückenwind: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warb mehrmals für die Norderweiterung, 28 der 30 Mitglieder ratifizierten die schwedischen und finnischen Anträge bereits. Nur die Türkei und Ungarn fehlen noch. Im Norden Europas rechnet man damit, dass Ungarn im Dezember mit der Ratifizierung so weit sein und dies an keine Bedingungen knüpfen dürfte. Dann bliebe nur noch die Türkei - doch an deren Zustimmung hapert es weiterhin.

Ankara begründet die Blockadehaltung mit der angeblichen schwedischen und finnischen Unterstützung der syrischen Kurdenmiliz YPK, die die Türkei als Ablegerin der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als »Terrororganisation« ansieht.

Ankara fordert Auslieferung von »Terroristen«

Ende Juni schien der Streit mit einer Vereinbarung zwischen den drei Ländern auf dem Nato-Gipfel in Madrid beigelegt. Die Türkei moniert jedoch weiterhin, damals getroffene Absprachen seien vor allem von Schweden noch nicht erfüllt worden. Unter anderem forderte Ankara die Auslieferung angeblicher »Terroristen« sowie die Aufhebung von Exportbeschränkungen für Waffen. Ende September hatte Schweden erstmals seit 2019 wieder den Export von Kriegsmaterial an das Nato-Mitglied Türkei bewilligt.

Kristersson ist erst seit drei Wochen schwedischer Regierungschef. Sein konservativ-rechter Block hatte bei der Schweden-Wahl Mitte September eine knappe Mehrheit errungen, womit Kristersson die Sozialdemokratin Magdalena Andersson an der Regierungsspitze abgelöst hatte. Der 58-Jährige hatte schnell angekündigt, schon bald für ein Gespräch zu Erdogan reisen zu wollen. Außenminister Tobias Billström hatte zudem am Wochenende gesagt, die schwedische Regierung distanziere sich von den syrischen Kurdengruppen YPG und PYD.

Stoltenberg hatte jüngst bei einem Türkei-Besuch erklärt, Schweden und Finnland hätten geliefert - es sei an der Zeit, sie in die Nato aufzunehmen. In Ankara sieht man das aber nach wie vor anders: Man sei zwar »vorsichtig optimistisch«, dass Schweden konkrete Schritte ergreife, um die Bedenken der Türkei zu Terrororganisationen auszuräumen, schrieb Erdogans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun in der schwedischen Zeitung »Aftonbladet« vom Montag. Kristerssons Besuch müsse daher als »eine historische Möglichkeit für Schwedens Eintritt in die Nato« betrachtet werden. Der Beitrittsantrag werde aber dahingehend geprüft, dass die schwedische Regierung konkrete Schritte unternehme, auf die man sich in Madrid geeinigt habe. Altun gilt als einer der engsten Berater von Erdogan.

© dpa-infocom, dpa:221108-99-425010/3