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Flug ohne Masken: Kritik an Scholz, Habeck und Medien

Dass Kanzler und Wirtschaftsminister ohne den Schutz von Corona-Masken nach Kanada fliegen, sorgt für Ärger. Gibt es eine Ungleichbehandlung?

Scholz und Habeck besuchen Kanada
Wirtschaftsminister Robert Habeck spricht auf dem Flug nach Kanada mit Journalisten - ohne Mundschutz. Foto: Kay Nietfeld
Wirtschaftsminister Robert Habeck spricht auf dem Flug nach Kanada mit Journalisten - ohne Mundschutz.
Foto: Kay Nietfeld

An diesem Mittwoch soll die Kabinettsentscheidung über die im Herbst geltenden Corona-Regeln fallen - unmittelbar zuvor gibt es nun scharfe Kritik, weil eine Regierungsdelegation um den Kanzler ohne Masken nach Kanada geflogen ist.

Und das, obwohl für Passagiere normaler Verkehrsflüge mit Start oder Ziel in Deutschland etwas anderes gilt. Dass die Schutzpraxis bei Regierungsflügen zuletzt unterschiedlich gehandhabt wurde, macht es kompliziert, hat aber auch Gründe.

Was genau ist passiert?

Im Internet verbreitete Videos und Bilder entstanden nach einem Hintergrundgespräch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) auf dem Hinflug von Berlin nach Montreal. Beide Politiker sowie fast alle der rund 25 mitreisenden Medienvertreter trugen dabei keine Masken. Der Regierungsflieger war deutlich voller als sonst, weil Scholz und Habeck zusammen reisten und erstmals auch eine große Wirtschaftsdelegation dabei war. Insgesamt waren 80 Passagiere an Bord.

Wie sind die Regeln für diese Flüge?

Lange Zeit galt auf den Flügen des Bundeskanzlers Maskenpflicht. Nach Angaben eines Regierungssprechers ist das jetzt nicht mehr Fall. In einer Erklärung vom Montag hieß es: »Auf den Flügen der Luftwaffe gibt es keine Maskenpflicht. Alle Teilnehmer der Reise müssen vor Antritt einen aktuellen negativen PCR-Test vorlegen. Damit ist ein hohes Schutzniveau gewährleistet.« Alle Passagiere mussten sich höchstens 24 Stunden vor Abflug testen lassen.

Wurden Konsequenzen aus der Kritik am Fliegen ohne Maske gezogen?

Zunächst nicht. Auf dem zweiten Flug von Montreal nach Toronto am Montag, der für die Passagiere bis zu 46 Stunden nach dem PCR-Test losging, galt weiter keine Maskenpflicht. Auch weitere PCR- oder Schnelltests wurden von den Mitreisenden nicht verlangt. Am Dienstag war ein weiterer, knapp dreistündiger Flug nach Neufundland geplant. In der Nacht zu Mittwoch sollte es von dort wieder nach Berlin gehen.

Welche Regeln praktiziert die Luftwaffe, die die Flugzeuge betreibt?

Der sogenannte Bedarfsträger - also das Kanzleramt oder andere Ministerien - stellt für die Delegation sicher, dass Passagiere getestet sind. »Das Tragen einer Maske wird nur noch empfohlen«, sagt ein Sprecher der Luftwaffe dazu. Mindestanforderung sind Impfung und Test. Den Delegationen ist das Tragen einer Maske freigestellt, während das von der Bundeswehr gestellte Servicepersonal weiter Masken tragen muss.

Auf welcher Rechtsgrundlage handelt die Bundeswehr?

Verwiesen wird auf die sogenannte Eigenvollzugskompetenz der Bundeswehr bei Vorschriften. Diese hatte in der Vergangenheit auch schon zu schärferen Regeln als für die Allgemeinheit geführt. Zudem sei die Flugbereitschaft kein öffentliches Verkehrsunternehmen. Im Infektionsschutzgesetz (Paragraf 54a) heißt es, »der Bundeswehr obliegt der Vollzug dieses Gesetzes« soweit es Personen betreffe, »während sie sich in Liegenschaften der Bundeswehr oder in ortsfesten oder mobilen Einrichtungen aufhalten, die von der Bundeswehr oder im Auftrag der Bundeswehr betrieben werden«.

Gibt es denn eine einheitliche Praxis?

Bei der letzten großen Auslandsreise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Mitte Juni nach Singapur und Indonesien mussten die Teilnehmer einen negativen PCR-Test nachweisen und unmittelbar vor dem Besteigen des Luftwaffen-Airbus einen Selbsttest machen. An Bord galt generell eine Maskenpflicht. Bei der Reise von Finanzminister Christian Lindner (FDP) im April nach Washington wurde im Flugzeug auf eine Maskenpflicht hingewiesen, beim Hintergrundgespräch trugen die Journalisten Masken, während Lindner, der kurz darauf positiv getestet wurde, seine zum Reden abnahm. Bei Habecks Reise in den Nahen Osten im Juni trugen der Minister, Mitarbeiter seines Ministeriums und mitreisende Journalisten im Regierungsflieger mindestens zeitweise keine Masken.

Wie ist die Gesetzeslage?

Auch wenn viele Corona-Auflagen inzwischen passé sind: In Flugzeugen - wie auch in Fernzügen - legt das Infektionsschutzgesetz bundesweit eine Maskenpflicht fest. »Die Verkehrsmittel des Luftverkehrs« dürfen Passagiere und Personal nur nutzen, wenn sie während der Beförderung eine FFP2-Maske oder medizinische Maske tragen, heißt es in Paragraf 28b. Ausgenommen sind unter anderem Kinder unter sechs Jahren. Die Maske abnehmen kann man beim Essen und Trinken. Im »Law Blog« der Rechtsanwaltskanzlei Vetter & Mertens wurde am Freitag die Sicht vertreten, dass es in der Sache keine Ausnahme für Regierungsflieger gibt. Eine Maskenpflicht im Luftverkehr soll auch weiter zu den Corona-Regeln zum Herbst gehören, die das Kabinett an diesem Mittwoch auf den Weg bringen will.

Wie sieht es bei normalen Passagierflügen aus?

Beim Flug in den Sommerurlaub bekamen viele Touristen wieder von der Maskenpflicht zu hören, die teils auch zu Ärger in Maschinen führt. Die Luftfahrt hat das Thema schon länger im Visier und fordert ein Ende der Tragepflicht. Auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) warb dafür. Hintergrund ist, dass EU-Behörden seit dem Frühjahr nicht mehr generell verpflichtendes Maskentragen empfehlen. Wenn am Abflug- oder Zielort Maskenpflicht im Verkehr besteht, sollte das aber weiter auch an Bord gelten - wie in Deutschland. Die Bilder aus dem Regierungsjet fachen die Debatte an. Die Branche sorgt sich dabei auch um Klarheit über die bestehenden gesetzlichen Regeln. »Ein negativer PCR-Test befreit nicht vom Tragen einer Maske«, betonte etwa die Lufthansa.

Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr im Flugzeug?

Große Fluggesellschaften und -hersteller haben in der Pandemie immer wieder einen schnellen Luftaustausch an Bord und leistungsstarke Filter zur Luftreinigung hervorgehoben. »Dank dieser speziellen Filter ist die Kabinenluft sauberer als die Luft, die Menschen auf der Erde atmen«, schreibt zum Beispiel die Lufthansa auf ihrer Webseite. Außerdem erfolge die Luftströmung von oben nach unten. Experten betonen aber, dass das Ansteckungsrisiko durch konsequentes Maskentragen zusätzlich verringert wird. In der Pandemie sind Ansteckungen mit Sars-CoV-2 auf Flugreisen dokumentiert worden, teils auch trotz vorheriger Tests und Nutzung von Masken. Generell gilt es als schwierig, Ansteckungen komplett auszuschließen, zum Beispiel im Gedrängel am Flughafen oder bei längerem Nebeneinandersitzen.

© dpa-infocom, dpa:220823-99-484595/5