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FDP-Schlappe in Niedersachsen: Ampel-Frieden in Gefahr?

SPD und Grüne können jubeln, großer Verlierer ist die FDP - sie schafft es nicht in den niedersächsischen Landtag. Deswegen dürfte der Ton in der Bundesregierung rauer werden.

Lindner und Scholz
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprechen in Berlin über die Ampel-Pläne zur Energiekrise. Foto: Kay Nietfeld
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprechen in Berlin über die Ampel-Pläne zur Energiekrise.
Foto: Kay Nietfeld

Klarer Sieg für die SPD, Rekordergebnis für die Grünen, aber für den dritten der Berliner Ampel-Partner geht die Wahl in Niedersachsen bitter aus: Die FDP fliegt dort heraus aus dem Landtag, und in Berlin gerät nun der Koalitionsfrieden in Gefahr.

»Meine Partei hat nach wie vor große Probleme mit dieser Koalition«, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der ARD. Konkret nannte er den Streit um die Schuldenbremse. »Und darüber müssen wir reden - morgen in den Gremien der FDP und darüber hinaus auch in der Ampel-Koalition. Wir müssen darüber reden, dass das so nicht funktioniert.«

Die Ampel-Partner SPD und Grüne können hingegen zufrieden sein: Die Sozialdemokraten von Regierungschef Stephan Weil gehen nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis trotz Verlusten als Sieger aus der Wahl hervor; die Grünen legten deutlich zu - die Zeichen stehen auf Rot-Grün.

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour appellierte an die Ampel-Koalitionäre, nach außen Geschlossenheit zu zeigen: »Unterm Strich ist die Zusammenarbeit gut - bei allen Differenzen, die wir haben. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Verantwortung, die die Ampel-Koalition übernommen hat, die in diesen Zeiten wirklich gewaltig ist, jetzt auch weiterhin von allen angenommen wird - von allen Seiten nach bestem Wissen und Gewissen.«

Die AfD legte bei der Landtagswahl ebenfalls stark zu und schafft ein zweistelliges Ergebnis. Die Linke scheiterte erneut an der Fünf-Prozent-Hürde.

Das Endergebnis

Laut dem vorläufigen Endergebnis kommt die SPD auf 33,4 Prozent der Stimmen (2017: 36,9). Die CDU verbucht mit 28,1 Prozent ihr schlechtestes Landesergebnis seit mehr als 60 Jahren (2017: 33,6). Die Grünen legen dagegen deutlich zu und landen mit 14,5 Prozent auf Platz drei (2017: 8,7). Auch die AfD gewinnt stark hinzu und erreicht 10,9 Prozent (2017: 6,2). Die FDP scheitert nach einigem Zittern mit 4,7 Prozent, an der Fünf-Prozent-Hürde und schafft es nicht in den Landtag (2017: 7,5), ebenso erneut die Linke mit 2,7 Prozent (2017: 4,6).

Damit kommen die SPD mit 57 und die Grünen mit 24 Sitzen gemeinsam auf eine absolute Mehrheit. Die CDU erreicht 47 Sitze, dahinter liegt die AfD mit 18 Sitzen.

Die Wahlbeteiligung lag bei 60,3 Prozent. 2017 betrug sie noch 63,1 Prozent, nach 59,4 Prozent im Jahr 2013.

Absturz der FDP

Nach dem Wahldesaster der FDP wurde der Ton bei den Bundesliberalen noch am Abend rauer. Eine Koalition werde nicht funktionieren, »wenn zwei Partner permanent Ideen entwickeln, wie man noch mehr Geld und noch mehr Geld ausgeben kann und andere sich permanent mit der Frage beschäftigen müssen, wie man das Ganze organisiert und finanziert«, sagte Generalsekretär Djir-Sarai.

Parteivize Wolfgang Kubicki forderte, dass die FDP ihre Positionen in der Ampel »deutlicher markieren« müsse als bisher. Auf zentrale Herausforderungen in der Krise gebe es keine vernünftigen Antworten. »Daran werden wir arbeiten müssen, oder diese Ampel wird in schweres Fahrwasser kommen.«

Für die Freidemokraten ist es bereits die dritte Landtagswahl in diesem Jahr mit deutlichen Verlusten. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein reichte es für die Partei jedoch zumindest für den Einzug in den Landtag. Bei der Saarland-Wahl im Frühjahr kam die Partei auf etwas mehr Zustimmung, verpasste den Einzug in das Landesparlament aber knapp.

Rot-Grün in Sicht

Ministerpräsident Weil stellte noch am Abend eine Rückkehr zu einer rot-grünen Koalition in Niedersachsen in Aussicht. »Wenn ich die Chance habe, möchte ich gerne eine rot-grüne Landesregierung bilden«, sagte der SPD-Spitzenkandidat dem Fernsehsender Phoenix. Der 63-Jährige, seit fast zehn Jahren Regierungschef, würde damit seine dritte Amtszeit angehen.

Grünen-Chefin Ricarda Lang erwartet nach den Gewinnen ihrer Partei nun eine Regierungsbeteiligung. »Es ist aus meiner Sicht ein Auftrag, dass wir auch in Niedersachsen Verantwortung übernehmen«, sagte sie.

CDU und AFD in der Opposition

CDU-Chef Friedrich Merz wollte den Erfolg in Niedersachsen unbedingt. Ein gutes Dutzend Wahlkampfauftritte absolvierte er dort allein in der letzten Woche vor der Wahl. Doch die CDU fuhr ihr schlechteste Niedersachsen-Ergebnis seit Jahrzehnten ein. Landeschef Bernd Althusmann kündigte noch am Sonntagabend an, sein Amt abzugeben.

Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, kritisierte inhaltliche Schwächen auch bei der CDU auf Bundesebene. »Wir können nicht immer nur von den Grünen einfordern, Atomkraftwerke länger laufen zu lassen«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Die AfD hat nach drei Landtagswahlen mit Verlusten erstmals wieder hinzugewonnen. Das dürfte Wasser auf die Mühlen der Protestbewegung sein, die die rechte Partei in diesem Herbst auf die Beine stellen will. Einen Vorgeschmack gab es am Samstag in Berlin, als mehrere Tausend Menschen vor dem Reichstagsgebäude gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung demonstrierten, viele davon mit AfD-Fahnen. »Wir sind wieder da«, sagte der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla.

Für die Linke endet ein desaströses Wahljahr mit einem weiteren Desaster. Wie bei den anderen drei Wahlen zuvor bleibt sie deutlich unter der Fünf-Prozent-Marke. Die ohnehin schon existenzielle Krise der Partei dürfte das noch etwas weiter verschärfen.

© dpa-infocom, dpa:221010-99-68795/4