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Extremismusforscher warnt vor zunehmender Radikalisierung

Auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes geht es um die Frage, wie Wellen der Gewalt gebrochen werden können. Experte Mansour mahnt mehr »digitale Sozialarbeit« an.

Islamismus-Experte Mansour
Ahmad Mansour bei der Vorstellung des bundesweiten Projekts »Moscheen für Integration«. Foto: Jörg Carstensen/DPA
Ahmad Mansour bei der Vorstellung des bundesweiten Projekts »Moscheen für Integration«.
Foto: Jörg Carstensen/DPA

Der Extremismusforscher Ahmad Mansour sieht mit Blick auf antisemitische Propaganda in Deutschland ein zunehmendes Radikalisierungspotenzial etwa bei Rechtsextremen und muslimischen Jugendlichen. »Das macht mir große Sorgen«, sagte er in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Der Autor und Psychologe wird am Donnerstag zur Herbsttagung des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden als Redner erwartet. Das Thema der Expertenkonferenz lautet »Ursachen und Dynamiken von Gewalt - wie brechen wir die Welle?«.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober sind in Deutschland in diesem Zusammenhang nach Zahlen des Bundesinnenministeriums mehr als 3500 Straftaten registriert worden. Bislang sind den Angaben zufolge knapp 500 klar antisemitische Delikte bekannt.

Hamas betreibe einen Krieg an mehreren Fronten - »und eine dieser Fronten ist in Europa und die Fähigkeit, hier die Leute auf der Straße zu mobilisieren«, erläuterte Mansour. Während die Hamas die Menschen unter anderem mit Hilfe stark emotionalisierter Bilder und auch Fake News in Sozialen Medien erreiche, gebe es bei der »digitalen Sozialarbeit« in Deutschland einen enormen Nachholbedarf, sagte Mansour.

»Wir müssen die Sozialen Medien viel mehr nutzen, um Prävention und Aufklärung zu betreiben, um Gegennarrative zu schaffen«, sagte der Experte. Das Internet sei ein »sehr wichtiger Ort, wenn man bedenkt, dass Jugendliche und auch Erwachsene mehrere Stunden pro Tag ihre Infos von dort holen.«

Radikalisierungsprozess entgegenwirken

Um einem Radikalisierungsprozess entgegenzuwirken, müsse Antisemitismus anders diskutiert, in die Mitte der Gesellschaft geholt werden, forderte Mansour. »In jeder Krisenzeit gibt es Hochkonjunktur für Radikale«, sagte er. Die aktuelle Zeit der Multikrisen führe bei mehr und mehr Menschen zu einer Überforderung - und zur Sehnsucht nach Vereinfachung. »Populisten sind in der Lage diese Vereinfachungen zu liefern, indem es vermeintliche Verantwortliche für die Krise gibt.«

Medien und Politik haben nach der Aussage von Mansour teils eine »falsch verstandene Definition von Demokratie«. »Die Mehrheit glaubt, wir brauchen Konsens, wir brauchen Harmonie, und Stimmen, die aus der Reihe tanzen sind Störfaktoren«, erläuterte er. »Aber genau diese Störfaktoren sind die Demokratie - ohne Austausch von Argumenten, wenn man unterschiedliche Meinungen nicht zulässt, dann leidet die Demokratie.«

Politiker dürfen sich nach der Überzeugung von Mansour nicht scheuen, unbequeme Themen anzusprechen. Das sei der beste Weg, um die Demokratie zu schützen, sagte er. Mansour wuchs als Palästinenser in Israel auf, er widmet sich in sozialen Projekten unter anderem dem Kampf gegen Antisemitismus.

© dpa-infocom, dpa:231123-99-46960/2