Die vorgezogene Präsidentenwahl im autoritär geführten Aserbaidschan am Mittwoch soll laut dem Südkaukasus-Experten Marcel Röthig vor allem der Machtsicherung von Amtsinhaber Ilham Aliyev dienen.
Offiziell begründe Aliyev das Vorziehen des eigentlich erst für 2025 geplanten Urnengangs zwar damit, dass nach der Eroberung der Konfliktregion Berg-Karabach nun die territoriale Integrität Aserbaidschans wiederhergestellt sei und es deshalb eine neue Legitimation für den Präsidenten brauche, sagte Röthig der Deutschen-Presse-Agentur. Er leitet das Südkaukasus-Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. »Ich glaube aber, dass die Ursachen tiefer liegen«, meinte Röthig, dessen Regionalbüro seinen Sitz in der georgischen Hauptstadt Tiflis hat.
Mögliche Gründe für die vorgezogene Wahl
»Es ist nicht gesagt, dass diese Familienherrschaft auf ewig in Stein gemeißelt ist«, meinte Röthig mit Blick auf den 62 Jahre alten Aliyev, der das Präsidentenamt im Jahr 2003 von seinem Vater Heydar Aliyev übernahm und sich seitdem mehrfach wiederwählen ließ. »Jenseits der glitzernden Fassaden von Baku gibt es auch Anzeichen einer gewissen Fragilität. Ich glaube, man zieht die Wahl angesichts dieser langfristigen Unsicherheit vor und schafft eine neue Legitimation, weil man weiß, dass die wirtschaftliche und soziale Lage vielleicht in einem oder zwei Jahren unbestimmter und schwieriger ist.« So vermeide Aliyev es, »in einer Situation Wahlen durchführen zu müssen, wo Sollbruchstellen noch sichtbarer werden, als sie es zurzeit sind«, sagte Röthig.
Der Präsident hatte sich nach der Machtübernahme in Berg-Karabach demonstrativ dort als Sieger präsentiert. Um die Region hatte es jahrzehntelange Kämpfe zwischen Aserbaidschanern und Armeniern gegeben. Nach einem Krieg im Jahr 2020 eroberte die aserbaidschanische Armee im vergangenen Herbst auch den Rest der Region, die zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet liegt, aber mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnt wurde. Die Führung der selbst ernannten Republik Arzach (Berg-Karabach) ergab sich, der Großteil der mehr als 100.000 Karabach-Bewohner floh. Armenien, das ebenso wie das Nachbarland Aserbaidschan einst Teil der Sowjetunion war, sprach von »ethnischen Säuberungen«.
Herausforderungen für Aserbaidschan
Aus aserbaidschanischer Sicht sei die Situation rund um Karabach nun weitgehend »gelöst«, erklärte Röthig. Zugleich betonte er: »Wenn dieses externe Feindbild Armenien schwindet, dann droht die Gefahr, dass die Leute sich über andere politische Herausforderungen Gedanken machen.« Im Vergleich zu anderen Südkaukasus-Staaten gebe es in Aserbaidschan, das am Kaspischen Meer liegt und stark von Öl- und Gas-Exporten abhängig ist, große soziale Ungleichheit, eine hohe Inflation und geringeres Wirtschaftswachstum.
Die Abstimmung am 7. Februar, zu der mehr als sechs Millionen Aserbaidschaner aufgerufen sind, ist Beobachtern zufolge keinesfalls eine faire und freie Wahl. So weisen internationale Wahlbeobachter darauf hin, dass es keinen einzigen wirklich oppositionellen Kandidaten gibt. Alle sechs Bewerber, die neben Aliyev auf dem Wahlzettel stehen, hätten den Präsidenten in der Vergangenheit öffentlich unterstützt, heißt es in einem Bericht des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR)in Europa. Zudem wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche kritische Journalisten festgenommen.
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