La Malbaie (dpa) - Schon vor dem Gipfel der sieben großen Industrienationen in Kanada ist der Streit der G7-Partner mit US-Präsident Donald Trump offen ausgebrochen.
Nach Gesprächen mit dem kanadischen Gastgeber Justin Trudeau rief Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit scharfen Worten dazu auf, sich geschlossen der amerikanischen »Vormachtpolitik« zu widersetzen. Mehr als 40 Jahre nach der Gründung steckt die Wertegemeinschaft vor dem Treffen an diesem Freitag und Samstag im kanadischen La Malbaie bei Québec in einer tiefen Krise, so dass eine Spaltung nicht mehr ausgeschlossen wird.
Die Streitigkeiten drehen sich um Alleingänge des US-Präsidenten wie Sonderzölle auf Importe aus Europa, Kanada, Mexiko und Japan sowie seinen Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzvertrag und aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran. Auf die Kritik reagierte Trump abweisend auf Twitter: »Bitte sagt Premierminister Trudeau und Präsident Macron, dass sie die Vereinigten Staaten mit massiven Zöllen und anderen (...) Handelshemmnissen belegen.« Ironisch fügte er hinzu, er freue sich darauf, sie heute in La Malbaie zu sehen. In einem weiteren Tweet rechtfertigte Trump nochmals seine Sonderzölle, indem er Kanada vorwarf, auf US-Molkereiprodukte bis zu 300 Prozent anzurechnen - »das schadet unseren Bauern, tötet unsere Landwirtschaft«.
Auch die Bundesregierung verschärfte ihre Kritik an den Alleingängen von Trump. Außenminister Heiko Maas sagte der »Süddeutschen Zeitung« (Freitag), es gebe Differenzen, »die können wir nicht mehr unter den Teppich kehren«. Trumps Nein zum Klimavertrag und zum Iran-Abkommen sowie die Zölle seien alles einseitige Entscheidungen zum Schaden Europas, sagte der SPD-Politiker. Der US-Präsident nehme »bewusst in Kauf, dass die Nachteile sich unmittelbar in Europa auswirken«.
Kurz vor Beginn des Gipfels in einem Luxushotel am Sankt-Lorenz-Strom wollen sich die europäischen Teilnehmer bei einem separaten Treffen über ihre Strategie abstimmen. Macron kündigte ein Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel, der britischen Premierministerin Theresa May und dem neuen Regierungschef Italiens, Giuseppe Conte, an. Außerdem werden EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratschef Donald Tusk erwartet. »Wir müssen uns organisieren und zusammenarbeiten«, sagte Macron. »Ich glaube an multilaterale Zusammenarbeit und das erlaubt es uns, gegen Hegemonie zu kämpfen.«
Eine solche Vormachtpolitik will der französische Präsident nicht hinnehmen. »Hegemonie ist das Recht des Stärkeren«, sagte Macron. »Hegemonie ist das Ende der Herrschaft des Rechts.« Die Differenzen stellen auch die übliche gemeinsame Erklärung zum Abschluss in Frage. Das wäre eine Abkehr von dem Ziel, als mächtige Gruppe mit gemeinsamen Werten globale Lösungen finden zu wollen.
»Dem amerikanischen Präsidenten mag es egal sein, wenn er isoliert ist - genauso wenig aber macht es uns etwas aus, eine Vereinbarung von sechs Ländern zu unterzeichnen, wenn die Notwendigkeit dazu besteht«, schrieb Macron auf Twitter. »Diese sechs Länder repräsentieren Werte und einen Markt mit dem Gewicht der Geschichte hinter sich, der nun eine wahre internationale Kraft ist.« In einem anderen Tweet schrieb Macron: »Kein Anführer ist von Ewigkeit.«
Bundesaußenminister Maas sagte, Trump wende sich ab von der multilateralen Ordnung und handele nur noch einseitig nach amerikanischen Interessen. »Nichts davon wird die Welt besser, sicherer oder friedlicher machen.« Trumps Abkehr vom Iran-Abkommen sei besonders kritisch zu sehen. »Wir waren gewohnt, dass man sich auf das verlassen konnte, was vereinbart wurde«, sagte Maas. »Das hat sich grundlegend verändert.« Maas versicherte, dass die USA »außerhalb Europas unser engster Partner bleiben«. Allerdings müsse sich die EU um neue Bündnisse zu bemühen.
Ob es am Ende des Gipfels eine Einigung auf eine gemeinsame Abschlusserklärung gibt oder es nur zu einer Zusammenfassung der Ergebnisse durch den G7-Vorsitzenden Kanada kommt, mochte niemand sagen. Dass nur der Gastgeber eine Erklärung abgibt, ist höchst selten. Schon im Vorjahr in Taormina auf Sizilien, dem ersten Gipfel mit Trump, wäre das Kommuniqué beinahe geplatzt. So wurden die Differenzen festgeschrieben, was ungewöhnlich ist, da solche Abschlussdokumente eigentlich den Konsens festhalten sollen.
Angesichts der Differenzen zwischen der EU und den USA hält fast jeder zweite Deutsche die G7-Gipfel in ihrer jetzigen Form nicht mehr für sinnvoll. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich 26 Prozent dafür aus, Trump zumindest vorübergehend auszuschließen. 19 Prozent meinten, die exklusive Staatengruppe führender Wirtschaftsmächte sollte ganz abgeschafft werden. Nur jeder Dritte (33 Prozent) ist für eine Beibehaltung der seit mehr als 40 Jahren stattfindenden Treffen.
Vom G7-Gipfel wird Trump am Samstag direkt nach Singapur zu seinem historischen Treffen am Dienstag mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un fliegen. Nach einem Treffen mit Japans Ministerpräsidenten Shinzo Abe in Washington weckte Trump hohe Erwartungen und schloss sogar eine Einladung an Kim in die USA nicht aus. »Wir haben das Potenzial, etwas Unglaubliches für die Welt zu schaffen. Und es ist mir eine Ehre, daran beteiligt zu sein«, sagte Trump vor der Presse.
Bei dem Treffen in dem asiatischen Stadtstaat will der US-Präsident den Machthaber dazu bewegen, vollständig atomar abzurüsten. Das Ziel sei möglicherweise nicht bei einem einzigen Gipfeltreffen zu erreichen. Er halte es aber für möglich, dass es zu einem Friedensabkommen kommen könnte. Nach dem 1953 militärisch beendeten Koreakrieg hat es nie einen Friedensvertrag gegeben.
Themen der kanadischen Präsidentschaft
G7-Forschungsgruppe Universität Toronto zu Abschlussdokumenten