In der EU sollen nach dem Willen des EU-Parlaments künftig mehr Bäume in Städten gepflanzt, mehr Wälder wiederaufgeforstet und Flüsse wieder in ihren natürlichen Zustand versetzt werden.
Das Parlament hat sich für ein heftig diskutiertes Naturschutzgesetz für die Europäische Union ausgesprochen. Nach wochenlangen Debatten stimmten die Abgeordneten in Straßburg mit einer Mehrheit von 336 Ja- zu 300 Nein-Stimmen für das Projekt, wie Parlamentspräsidentin Roberta Metsola bekanntgab.
Verhandlungen mit den EU-Staaten stehen bevor
Damit könnte das Vorhaben - ein wichtiger Baustein der EU-Umweltpolitik - noch vor den Europawahlen im kommenden Jahr verabschiedet werden. Sicher ist dies aber nicht. Mit der Zustimmung des Parlaments können nun aber die Verhandlungen mit den ebenfalls beteiligten EU-Staaten beginnen. Diese hatten sich vor gut drei Wochen auf eine Position zu dem Vorhaben verständigt. Nun muss noch ein endgültiger Kompromiss gefunden werden, damit die neuen Vorgaben in Kraft treten können.
Das Naturschutzgesetz geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück. Sie hatte vor gut einem Jahr einen Entwurf zum sogenannten Gesetz zur Wiederherstellung der Natur präsentiert, wonach es bis 2030 für mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der EU sogenannte Wiederherstellungsmaßnahmen geben soll. Auch Maßnahmen wie mehr Blühstreifen, damit Bestäuber wie Bienen besser überleben können, sind vorgesehen.
Vor allem die Christdemokraten waren gegen das Vorhaben Sturm gelaufen. Auch die rechtsnationale ID-Fraktion, der etwa die AfD angehört, andere Konservative sowie einige Liberale hatten sich vor der Abstimmung gegen das Gesetz ausgesprochen.
Das Parlament hat auch an mehreren Stellen den Vorschlag der Kommission abgeschwächt: So ist etwa keine Renaturierung von Mooren, die trockengelegt wurden, mehr vorgesehen und auch umstrittene Auflagen für Landwirte wurden gestrichen.
Reaktionen auf das Abstimmungsergebnis
»Es ist absurd, dass wir für das absolute Minimum kämpfen müssen«, sagte die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg kurz nach der Abstimmung. Sie war nach Straßburg gereist, um sich für das Vorhaben stark zu machen. Das Gesetz sei durch das Parlament sehr abgeschwächt worden. Auch der Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Philippe Lamberts, sprach davon, dass das Gesetz aufgeweicht worden sei. »Aber wenigstens haben wir die Verpackung gerettet«, sagte der Belgier. Diese müsse jetzt gefüllt werden.
Vor allem die Christdemokraten unterstützten die Sorge großer Bauernverbände, dass Landwirte durch Vorgaben zu sehr eingeschränkt werden könnten. Am Ende entschieden wohl die Stimmen der Liberalen und einiger EVP-Abweichler über den Ausgang der Abstimmung. Die Mehrheit der Liberalen stimmte schließlich dem Gesetz zu. Die FDP-Abgeordneten im EU-Parlament stimmten geschlossen dagegen.
Reaktionen in Deutschland und Haltung der EU-Kommission
Die Grünen in Deutschland begrüßten das Abstimmungsergebnis. Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte: »Das ist ein Riesenerfolg für die Natur - und für uns alle.« Von der Parteivorsitzenden Ricarda Lang hieß es in Berlin, man schütze mit dem Gesetz die Umwelt, stärke Artenschutz und Biodiversität - und den Klimaschutz. »Denn die Natur ist unsere beste Verbündete im Einsatz gegen die Klimakrise«.
Dem Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), hielt Lang einen »Schulterschluss mit rechten Kräften« vor. Im Parlament stimmten auch Konservative und die rechtsnationale ID-Fraktion gegen das Gesetz. Ähnlich äußerte sich der SPD-Fraktionsvize Achim Post. Zudem sagte er: »Vernunft und Fortschritt haben sich heute im Europaparlament durchgesetzt.«
Weber sagte nach der Abstimmung: »Wir waren sehr nah dran.« Er erklärte, er respektiere die demokratischen Verfahren der EU. Man werde weiterhin am Verhandlungstisch offene Fragen ansprechen. Auch EU-Kommissionsvize Frans Timmermans signalisierte Gesprächsbereitschaft für die anstehenden Trilog-Verhandlungen, bei denen die EU-Staaten, das Parlament und die EU-Kommission die genauen Details des Gesetzes endgültig aushandeln: »Wie immer biete ich der EVP meine offene Hand, um Kompromisse zu finden, die auch für sie akzeptabel sind«, sagte er nach der Abstimmung. Christdemokraten hatten ihm zuvor vorgeworfen, ein schlechtes Gesetz eingebracht zu haben.
Für das sogenannte Gesetz zur Wiederherstellung der Natur hatten sich abseits der Politik auch zahlreiche große Unternehmen wie Ikea und H&M sowie auch Lebensmittelkonzerne wie Unilever und Nestlé ausgesprochen. Zudem warben Umweltschutzorganisationen, Wissenschaftler, Verbraucherschützer und auch einige Bauernorganisationen dafür.
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