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EU: Mehr Druck auf Israel und mehr Hilfe für die Ukraine

Die EU fordert eine Feuerpause in Gaza und stützt die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. Neben den beiden Kriegen gibt es aber auch noch andere wichtige Themen beim Gipfel in Brüssel.

EU-Gipfel in Brüssel
Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel (r) und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Angesichts der dramatischen Notlage im Gazastreifen fordern die EU-Staaten eine sofortige Feuerpause. Foto: Omar Havana/DPA
Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel (r) und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Angesichts der dramatischen Notlage im Gazastreifen fordern die EU-Staaten eine sofortige Feuerpause.
Foto: Omar Havana/DPA

Die EU-Staaten verschärfen ihren Ton gegenüber Israel und fordern angesichts der dramatischen Notlage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen eine sofortige Feuerpause. Diese solle zu einem nachhaltigen Waffenstillstand, zur bedingungslosen Freilassung aller im Gazastreifen festgehaltener Geiseln und zur Bereitstellung humanitärer Hilfe führen, heißt es in einer von Bundeskanzler Olaf Scholz und den anderen EU-Staats- und Regierungschefs verabschiedeten Erklärung.

Es ist die erste gemeinsame Positionierung der 27 EU-Mitgliedstaaten zum Gaza-Krieg seit fünf Monaten. Vorausgegangen waren wochenlange Diskussionen. Vor allem Länder wie Österreich, Tschechien und Ungarn halten es eigentlich für unangebracht, Israel nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas in Israel vom 7. Oktober zu großer Zurückhaltung aufzufordern. Auf der anderen Seite stehen Länder wie Spanien, die das Vorgehen Israels im Gazastreifen für völkerrechtswidrig halten und sich eine stärkere Reaktion der EU wünschen. Deutschland, das anfangs noch im Lager der größten Israel-Unterstützer war, ist mittlerweile in Richtung Mitte gerückt.

Rund 1,5 Millionen Menschen suchen Schutz in Rafah

Israel wird in der Erklärung aufgefordert, in Rafah im äußersten Süden des Gazastreifens keine Bodenoffensive zu beginnen, die die bereits katastrophale humanitäre Lage verschlimmern und die dringend benötigte Grundversorgung mit humanitärer Hilfe verhindern würde. Das Vorhaben ist international umstritten, weil etwa 1,5 Millionen Palästinenser aufgrund der heftigen Kämpfe im Gazastreifen dort Zuflucht gesucht haben. Auch die US-Regierung hatte zuvor bereits davor gewarnt.

Der Weltsicherheitsrat könnte in Kürze über eine Resolution abstimmen, die eine sofortige und anhaltende Waffenruhe im Gazastreifen fordert. Diplomaten im wichtigsten UN-Gremium teilten der Deutschen Presse-Agentur mit, dass bereits heute ein Votum möglich ist. Die Beschlussvorlage stammt von den USA und betont die »Notwendigkeit eines sofortigen und dauerhaften Waffenstillstands, um die Zivilbevölkerung auf allen Seiten zu schützen und die Bereitstellung wesentlicher humanitärer Hilfe zu ermöglichen«, heißt es in dem vorliegenden Papier.

Zinserträge aus russischem Vermögen für Waffenlieferung in die Ukraine

Neben dem Nahost-Konflikt bestimmte der Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland den ersten Gipfeltag in Brüssel: Die EU kündigte an, milliardenschwere neue Militärhilfen für das Land vorzubereiten. So soll die Nutzung von Zinserträgen aus dem eingefrorenen russischen Zentralbank-Vermögen vorangetrieben werden. Allein dieses Jahr könnten bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen. Scholz sagte, das Geld solle vor allem zum Kauf von Waffen und Munition verwendet werden, die die Ukraine für ihren Verteidigungskampf brauche.

Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen könnte bei einer abschließenden Einigung die erste Milliarde bereits am 1. Juli ausgezahlt werden. »Es hängt also von uns ab. Es liegt in unseren Händen. Wenn wir schnell sind, gibt es im Sommer einen konkreten Schritt«, sagte von der Leyen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mahnte in einer per Videokonferenz übertragenen Ansprache schnelle Entscheidungen an. Dass Europa bei der Lieferung von Artilleriemunition hinter seinen Möglichkeiten bleibe, sei beschämend, kritisierte er. Zudem bat er unter anderem um mehr Luftverteidigungssysteme. Es gehe nicht um Hunderte, sondern um eine erreichbare Zahl.

Weltgrößte Förderbank soll in reine Rüstungsprojekte investieren

Um die Verteidigungsbereitschaft der Staatengemeinschaft angesichts der geopolitischen Spannungen zu erhöhen, soll die Europäische Investitionsbank (EIB) nach Willen der Staats- und Regierungschefs eine größere Rolle für Rüstungsprojekte spielen. Die EU-Förderbank solle dafür etwa ihre Politik für die Kreditvergabe anpassen und auch die derzeitige Definition sogenannter Dual-Use-Güter anpassen, heißt es in der Erklärung. Letztere sind Produkte, die zivil und militärisch verwendet werden können, beispielsweise Helikopter oder Drohnen.

Bislang ist die EIB im Bereich Verteidigung nur bei diesen Gütern aktiv - unter anderem bei Finanzierungen für Forschung und Entwicklung. Wenn die Förderbank auch in reine Rüstungsprojekte investieren soll, müssten sich die 27 EU-Mitgliedsländer auf eine Änderung des Mandats einigen.

Beitrittsgespräche mit Bosnien-Herzegowina

Bereits 2003 hatte die EU Bosnien-Herzegowina einen Beitritt in Aussicht gestellt - nun machten die EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel den Weg frei für Beitrittsgespräche. Die erste sogenannte Beitrittskonferenz soll allerdings erst organisiert werden, wenn Bosnien-Herzegowina bislang nicht erfüllte Reformauflagen umgesetzt hat. Dabei geht es unter anderem um die Rechtsstaatlichkeit in dem Land und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.

Bundeskanzler Scholz schrieb auf X (früher Twitter): »Das europäische Friedensprojekt wächst - ein klares Zeichen für ein starkes Europa.« Vor allem Staaten wie Österreich hatten zuletzt darauf gedrungen, Bosnien-Herzegowina Fortschritte im Beitrittsprozess in Aussicht zu stellen. Grund dafür war auch die Sorge, dass sich das Balkanland mit etwa 3,2 Millionen Einwohnern ansonsten Richtung Russland oder China orientieren könnte.

Getreide-Exporte sollen für Russland teurer werden

Zum Abschluss des ersten Gipfeltages gab Kommissionspräsidentin von der Leyen bekannt, dass ihre Behörde einen Vorschlag vorbereitet habe, wonach russisches Getreide mit höheren Zöllen belegt werden soll. Neben Getreide sollen auch weitere Agrarprodukte aus Russland und Belarus mit der Maßnahme getroffen werden. Laut von der Leyen soll auch verhindert werden, dass aus der Ukraine gestohlenes Getreide in die EU verkauft wird. Russisches Getreide werde so auch nicht den EU-Markt destabilisieren und Russland werde keinen Nutzen aus dem Export dieser Waren ziehen, so von der Leyen.

Wie aus Zahlen des Statistikamts Eurostat hervorgeht, haben die EU-Staaten in den vergangenen Jahren ihre Getreideimporte aus Russland deutlich hochgefahren. Während in den Vorkriegsjahren 2020 und 2021 Getreide für knapp 120 Millionen Euro (2020) und gut 290 Millionen Euro (2021) aus Russland in die EU importiert wurde, waren es 2022 rund 325 Millionen Euro und ein Jahr später fast 440 Millionen Euro. Mehrere EU-Staaten hatten vor dem Gipfel in einem Brief darauf gedrungen, dass die Kommission Maßnahmen vorschlagen solle, um die Getreide-Exporte aus Russland in die EU zu beschränken.

© dpa-infocom, dpa:240322-99-425298/3