Wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran haben die EU-Staaten Sanktionen gegen den inneren Machtzirkel der Revolutionsgarden beschlossen.
Die bei einem Außenministertreffen in Brüssel beschlossenen Strafmaßnahmen sind eine weitere Reaktion auf die brutale Unterdrückung von Protesten nach dem Tod der 22-Jährigen Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte die junge Frau am 13. September festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Amini starb dann am 16. September in Polizeigewahrsam.
»Wir senden ein erneutes und zwar unmissverständliches Signal an das iranische Regime«, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Brüssel zu der Entscheidung. Die Verantwortlichen glaubten, Menschen ohne Konsequenzen unterdrücken, einschüchtern und töten zu können. Dies könnten sie allerdings nicht. Ihren Angaben zufolge sollen die Sanktionen auch die Finanzierung der Revolutionsgarden treffen. Diese sind im Iran die Eliteeinheit der Streitkräfte.
Teheran: Deutsche sollten sich Geschichte des eigenen Landes ansehen
Aus Teheran kam eine scharfe Erwiderung. »Die deutschen Behörden sollten sich die Geschichte ihres eigenen Landes ansehen, die Geschichte der Menschenrechte im Zusammenhang mit der Bewaffnung eines Aggressorregimes gegen den Iran. Deutschland ist nicht in einer Position, den Iran zu tadeln«, sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani nach Angaben von Staatsmedien. Er sagte nicht, welches »Aggressorregime« er meinte. Teheran betrachtet Israel und die USA als Erzfeinde, auch Saudi-Arabien ist ein regionaler Rivale. Sanktionen würden den Iran nicht beeinflussen, sagte der Sprecher weiter.
Von dem neuen Paket mit Strafmaßnahmen sind nun insgesamt 32 Personen und Einrichtungen betroffen, wie aus einem nun veröffentlichten Amtsblatt der Europäischen Union hevorgeht. Sie sehen Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten in der EU vor. Mit Sanktionen belegt wurde etwa Press TV, der englischsprachige staatliche Auslandssender Irans, sowie das IT-Unternehmen Arvan Cloud, das bei der Einschränkung des Internets im Iran eine wichtige Rolle gespielt haben soll. Auch Großbritannien verhängte neue Sanktionen gegen führende Beamte.
Innenminister und Sittenpolizei-Mitarbeiter auf Strafliste
Neben Irans Innenminister Ahmad Wahidi wurden auch vier Mitarbeiter der iranischen Sittenpolizei, die an der Festnahme von Amini beteiligt gewesen sein sollen, auf die Strafliste gesetzt. Außerdem wurden mehrere regional tätige Offiziere der Revolutionsgarden sowie Sicherheitsbehörden mit Sanktionen belegt.
Die nun besonders ins Visier genommenen Revolutionsgarden (IRGC) sind weitaus wichtiger als die klassische Armee. Sie unterstehen direkt dem obersten Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei. Dieser hat in allen strategischen Belangen das letzte Wort. Die Einheit hat auch großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss im Land. Jüngst verlangte der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hussein Salami, in einer Rede ein Ende der Demonstrationen. »Die Demonstranten sollten die Geduld des Systems nicht überstrapazieren«, warnte er.
Mindestens 340 Menschen bei Protesten getötet
Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden bisher fast 15.000 Teilnehmer von Demonstrationen gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamischen Herrschaftssystem festgenommen. Die Regierung in Teheran hat diese Zahlen nicht bestätigt, aber auch keine anderen angegeben. Laut der Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) in den USA sind bei den Protesten mindestens 340 Menschen getötet worden.
Bereits Mitte Oktober hatte die EU ein erstes Sanktionspaket wegen der Geschehnisse im Iran beschlossen. Es richtete sich gegen die iranische Sittenpolizei und mehr als ein Dutzend weitere Personen und Organisationen. Auch damals wurden schon Mitglieder der Basidsch-Milizen sanktioniert, die von der EU für den Tod mehrerer Demonstranten verantwortlich gemacht werden. Die Basidsch-Milizen sind eine aus Freiwilligen rekrutierte paramilitärische Organisation unter Leitung der Revolutionsgarden.
Unabhängig von den Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen verhängte die EU jüngst auch neue Sanktionen gegen den Iran wegen der Unterstützung des russischen Kriegs gegen die Ukraine. Von ihnen sind bislang das Unternehmen Shahed Aviation Industries sowie drei ranghohe Militärs betroffen. Sie sind nach Auffassung der EU an der Entwicklung und Lieferung von Kampfdrohnen an Russland beteiligt, die von den russischen Streitkräften im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden.
© dpa-infocom, dpa:221114-99-511990/6