Die Europäische Union hat die lange blockierten Beitrittsverhandlungen mit den Balkanstaaten Nordmazedonien und Albanien begonnen. In Brüssel wurden dazu am Dienstag die Ministerpräsidenten der beiden Länder zu den ersten Regierungskonferenzen begrüßt. Diese markierten den Start des Verhandlungsprozesses.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Bundesregierung bezeichneten den Schritt als historisch. »Damit setzen wir ein ganz klares Signal, dass die Länder des westlichen Balkans in die EU gehören«, sagte die deutsche Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) in Brüssel.
Schon viele Jahre Kandidat
Von der Leyen betonte, Nordmazedonien und Albanien hätten hart für diesen Schritt gearbeitet. Als Beispiele nannte sie Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit, den Kampf gegen Korruption und Wirtschaftsreformen. Das rund 2,1 Millionen Einwohner zählende Nordmazedonien ist bereits seit 2005 Kandidat für einen EU-Beitritt, Albanien mit seinen rund 2,8 Millionen Bürgern seit 2014.
Der nordmazedonische Regierungschef Dimitar Kovacevski sagte, ein drei Jahrzehnte währender Traum seines Landes sei nun in Reichweite. »Heute ist der Tag, an dem wir ein neues Kapitel in der Geschichte Nordmazedoniens schreiben, ein Kapitel des Wohlstands und des Fortschritts.« Dies sei historisch und wohlverdient.
Sein albanischer Amtskollege Edi Rama kommentierte, mit Freude und Stolz sitze Albanien nun am großen Tisch eines vereinten Europas, um die Verhandlungen über die Mitgliedschaft zu beginnen. »Wir wissen, dass dies nicht der Anfang vom Ende ist. Dies ist nur das Ende des Anfangs.«
US-Präsident Joe Biden begrüßte die Aufnahme der Verhandlungen. »In einer Zeit, in der Russland den Frieden in Europa erschüttert hat, ist es wichtiger denn je, das Streben nach einem vollständigen, freien und friedlichen Europa zu unterstützen«, teilte Biden mit. »Ein demokratischer, sicherer und wohlhabender westlicher Balkan bleibt für diese Vision von wesentlicher Bedeutung.« Die Schritte, die die EU, Albanien und Nordmazedonien unternommen hätten, »sollten alle EU-Beitrittskandidaten in der Region ermutigen, ihr Engagement für die Stärkung ihrer Demokratien zu verstärken«.
Bei den Regierungskonferenzen wurden den beiden Kandidatenländern offiziell die Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen vorgestellt. Auf deren Grundlage kann die EU-Kommission nun mit den sogenannten Screenings beginnen. Dabei prüft die Behörde, inwieweit das nationale Recht des Kandidatenlandes von den EU-Rechtsvorschriften abweicht und Anpassung bedarf. »Wir werden sehr schnell damit beginnen«, versprach von der Leyen.
Verhandlungsprozess kann viele Jahren dauern
Im Anschluss an die »Screenings« kann die Kommission dann vorschlagen, sogenannte Verhandlungskapitel zu eröffnen. Damit die Empfehlungen umgesetzt werden können, braucht es erneut eine einstimmige Entscheidung der EU-Staaten. Insgesamt kann der Verhandlungsprozess viele Jahren dauern und bei Problemen auch wieder gestoppt werden.
So begann die EU bereits 2005 mit der Türkei Beitrittsgespräche. Diese wurden allerdings vor einigen Jahren wieder auf Eis gelegt, weil Brüssel inakzeptable Entwicklungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit sah.
Die Regierungskonferenzen zum Start der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien sollten eigentlich bereits 2020 organisiert werden. Das EU-Land Bulgarien blockierte allerdings die notwendigen Entscheidungen wegen eines Streits mit Nordmazedonien. Dabei ging es unter anderem um die Interpretation der teils gemeinsamen Geschichte sowie die Rechte der ethnischen Bulgaren in Nordmazedonien. Erst am vergangen Sonntag unterzeichneten beide Seiten ein Protokoll zur Beilegung des Streits.
Nordmazedonien muss nun noch seine Verfassung ändern, um die dort festgelegten Absprachen umzusetzen. Konkret geht es um die offizielle Anerkennung der ethnischen Bulgaren als Volksgruppe in Nordmazedonien.
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