Roter Teppich, Händeschütteln, freundliche Grußworte - im Oman wurden Baschar al-Assad am Montag alle protokollarischen Ehren zuteil, die in der Welt internationaler Beziehungen eigentlich zum Tagesgeschäft zählen.
Omans Sultan Haitham bin Tarik, der den syrischen Präsidenten am Flughafen in Maskat empfing, sandte öffentlich vor allem eine Botschaft aus: Beileid für die Opfer der schweren Erdbeben in Syrien sowie der Türkei und das Versprechen, dem »brüderlichen syrischen Volk« nach der Katastrophe zur Seite zu stehen.
Die Beben vom 6. Februar haben Syriens Machthaber unverhofft eine Chance gegeben, sich ein wenig aus seiner weitgehenden politischen Isolation zu befreien. Oder zumindest eine Gelegenheit, seine eher stillen Bündnisse mit arabischen Nachbarn und anderen Ländern offener zur Schau zu stellen. Schon kurz nach den Erdbeben mit bisher etwa 5900 bestätigten Todesopfern in Syrien bemühte sich die Regierung um faktische Anerkennung auf der internationalen Bühne.
Die erste Reaktion Assads nach den Beben war nicht etwa, dem Volk seine Trauer zu bekunden oder den Notstand auszurufen. Stattdessen listete das Präsidialamt ausführlich alle Telefonate und Botschaften auf, die Assad persönlich nach den Beben von anderen Staatschefs und Monarchen erhielt: aus China und dem Iran, von Russlands Präsident Wladimir Putin, aus Jordanien, dem Irak und so weiter. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi telefonierte erstmals seit seiner offiziellen Amtsübernahme 2014 mit Assad. Der emiratische Außenminister Abdullah bin Sajid reiste zum Treffen mit Assad nach Damaskus.
»Die Erdbeben waren ein Geschenk für Assad«
Baschar al-Assad, man erinnert sich, hält sich seit Protesten gegen seine Regierung im Jahr 2011 mit aller Gewalt an der Macht. Angriffe mit Giftgas, Bombardements von Verbündeten auch gegen Kliniken und Schulen sowie staatlich autorisierte Folter zählen zu den Vorwürfen gegen seine Regierung. Der Bürgerkrieg mit mehr als 350.000 Todesopfern hat 13 Millionen Menschen innerhalb Syriens vertrieben oder in andere Länder flüchten lassen. Der Konflikt ist inzwischen in Vergessenheit geraten, auch durch den Krieg in der Ukraine. Das zersplitterte Syrien ist bis heute aber aktives Kriegsgebiet.
»Die Erdbeben waren ein Geschenk für Assad«, sagt Lina Khatib, Nahost-Expertin bei der britischen Denkfabrik Chatham House. Über die Jahre habe eine Art »passive Normalisierung« stattgefunden gegenüber Assad, sagt sie der Plattform Arab Digest. Unter anderem, weil der UN-Friedensprozess seit Jahren nicht vorankommt und eingeschlafen ist. Mit Sanktionen der USA und EU ist es ebenfalls nicht gelungen, einen erhofften politischen Wandel herbeizuführen. Nach bald zwölf Jahren Bürgerkrieg ist Assads Regierung immer noch die beherrschende Kraft im Land, anerkannt von den Vereinten Nationen.
Assad ist weit entfernt von einem Dialog mit dem Westen
Bei den UN gab die Debatte über Hilfslieferungen in Rebellengebiete im Nordwesten auch bald eine Gelegenheit für die Regierung, das neue Rampenlicht zu nutzen. Syriens UN-Botschafter Bassam Sabbagh überbrachte die Botschaft, dass Assad zwei weitere Grenzübergänge in die Türkei öffnen lassen wolle. Eigentlich ein positiver Schritt. Tatsächlich lagen die Beben zu diesem Zeitpunkt schon eine Woche zurück, und die meisten Opfer, die unter Trümmern im Nordwesten irgendwie noch überlebt hatten, waren vermutlich tot. Hängen blieb die Botschaft, dass es ohne Assads Regierung eben doch nicht geht,
Von einem Dialog mit dem Westen ist Assad weit entfernt, auch Syriens Mitgliedschaft in der Arabischen Liga ist seit 2011 ausgesetzt. Aber »der Konsens wächst in der arabischen Welt, dass der Status quo nicht praktikabel ist«, sagte der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit Blick auf die Isolation Syriens. In einer Abkehr seiner bisherigen Haltung hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ebenfalls ein Treffen mit Assad in Aussicht gestellt.
Für diesen könnten die Beben einen weiteren Schub bedeuten - für eine schon länger laufende Normalisierung. »Ein Mann, der über die Zerstörung seines Landes und den Tod einer halben Million Landsleute durch alle Formen der Tötung waltete, ist der einzige Nutznießer eines Unheils, das sein eigenes Volk erneut zerschmettert hat«, schreibt das »New Lines Magazine«. Als Assad das Katastrophengebiet besuchte, wirkte er fast in froher Stimmung. Auf einigen Fotos ist er mit einem Lächeln zu sehen.
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