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Erste deutsche Ministerpräsidentin Simonis tot

Heide Simonis hat Geschichte geschrieben. Als erste Frau übernahm die Sozialdemokratin 1993 die Führung einer Landesregierung in Deutschland. Nun ist sie gestorben.

Heide Simonis
War 1993 erste Ministerpräsidentin eines deutschen Bundeslandes geworden: Heide Simonis. Foto: Carsten Rehder/DPA
War 1993 erste Ministerpräsidentin eines deutschen Bundeslandes geworden: Heide Simonis.
Foto: Carsten Rehder/DPA

Deutschlands erste Regierungschefin eines Bundeslandes ist tot. Die Sozialdemokratin Heide Simonis, bis 2005 Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein, starb nach Angaben von SPD-Landeschefin Serpil Midyatli, wenige Tage nach ihrem 80. Geburtstag, zu Hause in Kiel.

Politiker und Parteien reagierten mit Trauer und großem Respekt auf die Todesnachricht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) würdigte Simonis als ein Vorbild für viele in der Politik. »Mit ihrer durchsetzungsstarken Art überzeugte sie schon als junge Bundestagsabgeordnete - auch mich«, schrieb Scholz auf Twitter.

»Nie ihren Humor, Witz und ihre Direktheit verloren«

Der aus Schleswig-Holstein stammende Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur, »als erste Ministerpräsidentin hat Heide Simonis Geschichte geschrieben, als Repräsentantin meines Bundeslandes war sie eine Ikone«. Dass Simonis 2005 bei ihrer geplanten Wiederwahl zur Ministerpräsidentin eine Stimme fehlte, sei ein schwerer Schlag für sie gewesen. Dennoch habe er Simonis danach immer als eine starke, charismatische Frau erlebt. »Sie hat nie ihren Humor, ihren Witz und ihre Direktheit verloren.«

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte, »ich trauere um eine große Politikerin und um eine leidenschaftliche Schleswig-Holsteinerin«. Er sprach der Familie sein tief empfundenes Mitgefühl aus. Heide Simonis habe mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Engagement, ihrer Menschlichkeit und ihrer Geradlinigkeit Schleswig-Holstein noch liebenswerter gemacht.

Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm (SPD) sprach von einem großen Verlust. »Heide Simonis gehörte zu den herausragendsten Frauen in der deutschen Politik der Nachkriegszeit«, sagte der 83-Jährige den »Lübecker Nachrichten« (Donnerstagausgabe). »Sie besaß fachliche Kompetenz, einen unglaublichen Witz und ungeheure Sprachgewalt.« Simonis sei in ihrer Zeit allen ihr gegenüber skeptischen Männern weit überlegen gewesen, sagte Engholm.

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki würdigte Simonis als eine starke Persönlichkeit, eine große Ministerpräsidentin, eine außerordentliche Sozialdemokratin und eine Freundin. Sie habe mit ihrer langjährigen politischen Arbeit Schleswig-Holstein geprägt und das Gewicht des Landes in der Bundespolitik deutlich vergrößert.

Ihre politische Karriere endete spektakulär

Simonis wurde am 19. Mai 1993 in Kiel zur Ministerpräsidentin gewählt. Zunächst führte sie eine SPD-Alleinregierung, von 1996 bis 2005 dann eine rot-grüne Koalition. Ihre politische Karriere endete spektakulär: Bei der Ministerpräsidentenwahl am 17. März 2005 verweigerte ihr ein Abweichler in vier Durchgängen die Stimme; daran scheiterte ihre Wiederwahl im Landtag. Simonis wollte damals nach einer knapp ausgegangenen Landtagswahl mit einer rot-grünen Minderheitsregierung weiterregieren - unterstützt vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Partei der dänischen Minderheit.

Nachdem dies scheiterte, übernahm der damalige CDU-Landesvorsitzende Peter Harry Carstensen an der Spitze einer großen Koalition mit der SPD das Ruder in Kiel. Wer Simonis' Wiederwahl verhinderte, ist bis heute unklar - die Abstimmungen waren geheim.

Eckte gelegentlich auch bei der eigenen Parteiführung an

Die gebürtige Bonnerin Simonis hatte nach dem Studium in Erlangen, Nürnberg und Kiel 1967 in der Förde-Stadt ihr Examen als Diplom-Volkswirtin gemacht. 1969 trat sie in die SPD ein, für die sie 1971 in die Kieler Ratsversammlung gewählt wurde. 1976 rückte Simonis in den Bundestag, wo sie später Fraktionssprecherin im Haushaltsausschuss wurde. 1988 holte Engholm sie als Finanzministerin ins Kieler Kabinett.

Mit oft pointierten Äußerungen zu diversen politischen Themen sorgte Simonis häufig für Aufmerksamkeit in den Medien, eckte damit gelegentlich aber auch bei der eigenen Parteiführung an. Nach ihrem Sturz als Ministerpräsidentin 2005 übernahm Simonis den ehrenamtlichen Vorsitz des Kinderhilfswerks Unicef Deutschland. Anfang 2008 quittierte sie diesen Posten. Am 30. Juni 2014 verlieh Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) Simonis die Ehrenbürgerwürde des Landes Schleswig-Holstein. Sie wurde damit als erste Frau ausgezeichnet. In den letzten Jahren litt Simonis zunehmend unter einer Parkinson-Erkrankung.

Anlässlich des Todes von Simonis ordnete Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) Halbmastbeflaggung der Dienstgebäude aller Behörden und Dienststellen des Landes am Donnerstag und Freitag an.

© dpa-infocom, dpa:230712-99-379927/5