Rund drei Monate nach der Ankündigung eines 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr steht eine Einigung von Koalition und Union dazu möglicherweise bevor.
Beide Seiten wollten voraussichtlich an diesem Sonntagabend ihre Verhandlungen dazu fortsetzen, wie die Deutsche Presse-Agentur am Samstag aus Koalitionskreisen erfuhr. Zwei bisherige Gespräche der beteiligten Ampelpolitikerinnen und -politiker hinter verschlossenen Türen waren demnach ohne Durchbruch geblieben. Andere Medien hatten bereits zuvor darüber berichtet.
Habeck setzt auf Einigung
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt auf eine Einigung, wie er der »Welt am Sonntag« sagte. Diese solle umfassen, »dass die Bundeswehr möglichst viele neue Waffen und eine funktionsfähige Ausrüstung erhält und die Finanzierung notwendiger sicherheitsrelevanter Systeme nicht ausgeschlossen ist«.
Der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), zeigte sich in der »Rheinischen Post« (Samstag) optimistisch, »dass wir am Sonntag eine Einigung hinbekommen«. Frei mahnte Eile bei den Verhandlungen an. In Koalitionskreisen hieß es allerdings auch, dass es bis zu einem Abschluss der Gespräche auch noch etwas länger dauern könne. Wichtig sei eine baldige Einigung, da die Beschlüsse bis zur Sommerpause gefasst werden sollen.
Dobrindt: Einhaltung des Doppelversprechens notwendig
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der »Rheinischen Post« (online), Voraussetzung für eine Einigung sei die Einhaltung des von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gemachten Doppelversprechens in seiner Zeitenwende-Rede im Bundestag: »100 Milliarden Euro für die Streitkräfte und dauerhaft das 2-Prozent-Ziel erreichen - wir erwarten, dass die Ampel dieses Doppelversprechen einlöst und es konkret mit Leben füllt.«
Das bedeute, das Sondervermögen für die Streitkräfte im Grundgesetz zu verankern - und die Einhaltung des 2-Prozent-Ziels einfachgesetzlich festzuschreiben. »Für diesen Weg bieten wir der Ampel unsere Unterstützung an.« Umgehungen des Doppelversprechens fänden keine Zustimmung.
Scholz hatte als Reaktion auf den russischen Einmarsch in der Ukraine am 27. Februar in einer Regierungserklärung im Bundestag angekündigt, dass der Haushalt einmalig mit einem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für Investitionen in Rüstungsvorhaben ausgestattet werde. Jahr für Jahr werde zudem mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert.
Das Sondervermögen soll im Grundgesetz verankert werden, wozu eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich ist. Daher muss die CDU/CSU-Opposition ins Boot geholt werden.
Die Union will klargestellt wissen, dass das Sondervermögen ausschließlich für die Bundeswehr verwendet wird. Eine bisher geplante Formulierung - »zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit« - ist ihr zu unspezifisch. Habeck sagte: »In meinen Augen ist diese Debatte um das Geld leicht zu lösen.« Unstrittig sei, dass die Bundeswehr jetzt einsatzfähig gemacht werde. »Nur definiert sich die Verteidigungsfähigkeit des Landes nicht allein durch die Zahl der Waffen, sondern auch durch einen Schutz vor digitalen Angriffen auf kritische Infrastruktur.«
Hofreiter kritisiert Union
»Die Union sollte sich nicht weiter sperren«, sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter der »Rheinischen Post«. Der Erwartungsdruck der Verbündeten sei in vielen Bereichen groß. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg sagte der »Rheinischen Post« allerdings, dass es schwierig sei, bei der Formulierung im Grundgesetz einen Kompromiss zu finden. »Es muss schon klar sein, dass das Sondervermögen für die Bundeswehr eingesetzt wird, nicht für andere Zwecke.«
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf der Union »parteipolitische Spielchen« vor. Sorgen mache er sich um die Zuverlässigkeit der Union, »die nicht das Interesse der Bundeswehr im Fokus hat, sondern ihren parteitaktischen Vorteil«. Auf die Frage, bis wann eine Einigung stehen müsse, verwies Mützenich auf die für kommende Woche geplante Verabschiedung des Haushalts. »Da bietet es sich an, auch das Sondervermögen zu beschließen«, sagte er.
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