Nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wird erwartet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz heute die Nachfolgerin oder den Nachfolger verkündet.
Arbeitsminister Hubertus Heil sagte gestern Abend in der ARD-Sendung »Hart aber fair«, der Kanzler werde die Personalie schnell - »nämlich morgen« - bekanntgeben. »Da wird's keine Hängepartie geben«, betonte der SPD-Politiker. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte in den ARD-»Tagesthemen« mit Blick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, das Vakuum müsse umgehend gefüllt werden.
Scholz: »Ich habe eine klare Vorstellung«
Die seit Monaten in der Kritik stehende Verteidigungsministerin hatte gestern Morgen schriftlich erklärt, dass sie Scholz um Entlassung gebeten habe. Die Frage der Nachfolge blieb zunächst unbeantwortet. Scholz sagte dazu jedoch: »Ich habe eine klare Vorstellung, und das wird sehr schnell für alle bekannt werden, wie das weitergehen soll.«
Als mögliche Anwärter für die Nachfolge im Gespräch waren SPD-Chef Lars Klingbeil, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt und Arbeitsminister Heil sowie die Wehrbeauftragte Eva Högl und die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller.
Heil äußerte sich angesichts der Spekulationen gestern Abend nicht eindeutig, betonte aber persönliche Pläne in seinem derzeitigen Ressort. »Ich habe jedenfalls als Arbeitsminister noch 'ne ganze Menge vor«, sagte der SPD-Politiker bei »Hart aber fair«.
Offiziell ist bislang nicht angekündigt, wann und wie Scholz die Personalentscheidung bekanntgibt. Der Kanzler wird heute Morgen zu einer Gesprächsveranstaltung in Mainz erwartet, für den Mittag ist dann ein Besuch beim Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten in Brandenburg an der Havel angesetzt.
Einige Baustellen
Lambrecht hinterlässt der künftigen Ressortleitung eine ganze Reihe von Baustellen. So steht die Modernisierung der Bundeswehr unter anderem mit Hilfe des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens erst am Beginn. Bisher wurden erst Verträge über gut zehn Milliarden Euro geschlossen. Die Aufrüstung hatte Kanzler Scholz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar vergangenen Jahres verkündet.
Unklar ist auch noch, wie es mit den Waffenlieferungen an die Ukraine weitergeht. Nachdem die Bundesregierung zuletzt die Lieferung von Marder-Schützenpanzern beschlossen hatte, drehen sich die aktuellen Debatten darum, dem angegriffenen Land Leopard-Kampfpanzer bereitzustellen. Dauerbaustellen bei der Truppe sind auch Mängel bei zahlreichen Waffensystemen wie zuletzt beim Schützenpanzer Puma und Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Munition.
Auch der geordnete Rückzug aus dem UN-Einsatz Minusma in Mali steht auf der Agenda des oder der künftigen »Ibuk«, des Inhabers oder der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt. Nach einer Entscheidung der Bundesregierung soll das bis Mai 2024 geschehen.
Die Frauenorganisation der SPD pochte darauf, die paritätische Besetzung des Bundeskabinetts beizubehalten - also gleich viele Männer und Frauen als Minister. »Eine Gesellschaft, die zu über 50 Prozent aus Frauen besteht, muss sich auch im Kabinett widerspiegeln«, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Maria Noichl, der »Rheinischen Post«. »Fifty-fifty muss weiter gelten. Dafür steht die SPD.«
Wichtige Termine schon diese Woche
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter wies darauf hin, dass sich am Freitag Vertreter der westlichen Verbündeten der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz treffen.
Wer Lambrechts Nachfolge antrete, müsse »sofort die Führung und Koordinierung der militärischen Unterstützung der Ukraine übernehmen oder zumindest die deutsche Blockade beenden«, sagte Kiesewetter den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Denn Deutschland sollte endlich die Führung bei der Koordinierung einer Leopard-Allianz übernehmen, um dem selbstgesetzten Anspruch einer Führungsrolle gerecht zu werden.«
Auch Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, forderte zum wiederholten Mal Bewegung in Sachen Kampfpanzer. Der Dreh- und Angelpunkt bleibe das Kanzleramt, betonte sie in der ARD. Sie hoffe, dass jetzt sehr schnell entschieden wird. »Die Europäer und auch die Nato-Staaten erwarten von Deutschland Führung.«
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