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Entlastung kleiner Einkommen: Streit um höhere Spitzensteuer

Eigentlich hatten die Koalitionäre Steuererhöhungen ausgeschlossen, jetzt kocht das Thema angesichts gestiegener Preise wieder hoch: Sollen Bürger mit höheren Einkommen stärker zur Kasse gebeten werden?

Steuererklärung
Eine Frau bedient das Portal der deutschen Steuerverwaltungen zur Abwicklung der Steuererklärungen und Steueranmeldungen über das Internet, Elster. Foto: Marijan Murat
Eine Frau bedient das Portal der deutschen Steuerverwaltungen zur Abwicklung der Steuererklärungen und Steueranmeldungen über das Internet, Elster.
Foto: Marijan Murat

In der Bundesregierung ist eine Debatte über eine Steuerreform zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen ausgebrochen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnte es am Donnerstag ab, eine solche Steuersenkung komplett durch einen höheren Spitzensteuersatz für Vielverdiener zu finanzieren. Zuvor hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gesagt, ohne einen höheren Spitzensteuersatz sehe er wenig Spielraum für Entlastungen kleinerer Einkommen.

Lindner: »Das ist unfair«

»Wenn man die Grünen wörtlich nimmt, müsste man die Ingenieurin und den Handwerksmeister in der Spitze mit 57 Prozent belasten«, schrieb Lindner auf Twitter. »Das ist unfair.« Seiner Ansicht nach solle die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen gedanklich von solchen »Belastungsideen« abgekoppelt werden.

Schon vor Bildung der Ampel-Koalition hatten SPD, Grüne und FDP das Thema Steuererhöhungen eigentlich abgeräumt. »Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen«, hieß es damals im Sondierungspapier. Dass jetzt wieder intensiver diskutiert wird, liegt vor allem an den hohen Energiepreisen und der gestiegenen Inflation, die Entlastungen nötig machen.

Aktuell fällt der Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab

Das »Handelsblatt« hatte über die Rechnung des Finanzministeriums berichtet: Wenn man niedrige und mittlere Einkommen über eine Abflachung des sogenannten »Mittelstandsbauchs« aufkommensneutral entlasten wolle, müsse der Spitzensteuersatz ab einem zu versteuernden Einkommen von 80.000 Euro auf 57,4 Prozent steigen. Aktuell fällt der Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen von 58.597 Euro an.

Entlastungen wegen der hohen Preise vor allem für Gas und Öl müssten sich auf Menschen mit wenig Geld konzentrieren, betonte der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. »Der Porschefahrer braucht keine Entlastung. Die Supermarkt-Verkäuferin schon«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb sei eine Anpassung des Einkommensteuer-Tarifs richtig. »Dabei ist klar, dass Entlastungen bei kleinen und mittleren Einkommen vollständig über eine Anhebung bei den ganz hohen Spitzeneinkommen gegenfinanziert werden müssen«, sagte er.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr konterte: Die Grünen wollten so schon mittlere Einkommen stärker zur Kasse bitten. »Das kann nicht unsere Antwort auf diese historische Krise sein«, sagte Dürr der dpa. Die Koalition habe vereinbart, dass Steuern nicht erhöht würden. »Nach zwei von Krisen geprägten Jahren wären zusätzliche Belastungen ein Schlag ins Gesicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Betriebe«, sagte Dürr. Die Koalition müsse einen Weg finden, »die einen zu entlasten ohne die anderen zu belasten«. Das gehe nur über Einsparungen im Haushalt.

Linke für eine stärkere Belastung von Spitzenverdienern

Die oppositionelle Linke dagegen ist ebenfalls für eine stärkere Belastung von Spitzenverdienern. »Warum nicht wieder einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent wie unter Helmut Kohl?«, fragte Finanzpolitiker Christian Görke. Dieser solle dann aber auch erst bei Bruttoeinkommen von 80.000 Euro oder mehr greifen. Zugleich müssten aber auch diejenigen entlastet werden, die so wenig verdienten, dass sie fast keine Einkommensteuer zahlten - etwa durch eine Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel.

© dpa-infocom, dpa:220609-99-601102/4