Rund zwei Wochen nach dem Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel ist im anhaltischen Dessau-Roßlau die neue Synagoge eingeweiht worden. Unter anderem war dazu auch Bundeskanzler Olaf Scholz gekommen. »Diese Synagoge mitten hier in Dessau sagt: Jüdisches Leben ist und bleibt ein Teil Deutschlands. Es gehört hierher«, sagte der SPD-Politiker bei der Veranstaltung. Deutschland werde alles tun, um jüdisches Leben zu schützen und zu stärken.
Die Weill-Synagoge ist nach Angaben der Stadt das erste in Sachsen-Anhalt neu erbaute jüdische Gotteshaus seit der Wiedervereinigung. Neben Scholz waren zu der Einweihung auch der israelische Botschafter Ron Prosor, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sowie der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Mark Dainow, gekommen.
Unter den Gästen war auch der Vorstand des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Max Privorozki, der Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Halle ist. Seine Gemeinde war vor vier Jahren Ziel eines antisemitischen Anschlags geworden, bei dem zwei Menschen getötet wurden.
Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen
Nachdem die Hamas am 7. Oktober Israel angegriffen hatte und Israel daraufhin den Gazastreifen bombardierte, war es in den vergangenen Tagen auch in Deutschland vielerorts zu pro-palästinensischen Protesten gekommen. Daher kam der Einweihung besondere Aufmerksamkeit zu, die Sicherheitsvorkehrungen waren hoch. Laut Polizei sollten unter anderem Spezialkräfte des Landeskriminalamts eingesetzt werden.
Die Weill-Synagoge steht im Zentrum unweit des Rathauses der für das Bauhaus berühmten Stadt. Sie ergänzt das 1908 erbaute und heute denkmalgeschützte Rabbinerhaus. Dort hatte der in Dessau geborene Namensgeber der Synagoge, Kurt Weill (1900-1950), Kindheitsjahre verbrachte. Sein Vater Albert Weill war Kantor der Gemeinde. In den 1920er Jahren wurde Weill durch seine Musiktheater-Kompositionen bekannt. Zu seinen Werken zählt unter anderem die von ihm komponierte Musik zu Bertolt Brechts Theaterstück »Die Dreigroschenoper«.
Scholz »zutiefst empört«
Es empöre ihn zutiefst, »wie antisemitischer Hass und menschenverachtende Hetze sich seit diesem schicksalhaften 7. Oktober Bahn brechen - im Internet, in den sozialen Medien, rund um die Welt und beschämenderweise auch hier bei uns, in Deutschland«, sagte Scholz, der bei der Veranstaltung eine Kippa trug. »Ausgerechnet hier, in Deutschland. Deutsche haben das Menschheitsverbrechen der Shoa begangen.« Shoa kommt aus dem Hebräischen und meint die Massenvernichtung von Jüdinnen und Juden während des zweiten Weltkriegs.
Die Bundesrepublik werde alles in ihrer Macht stehende dafür tun, damit von der Hamas entführten Geiseln freikämen, sagte Scholz. Der Terror der Gruppe sei nicht nur eine Zäsur für Jüdinnen und Juden weltweit, »sondern für uns alle«. Für Antisemitismus dürfe es in Deutschland keinerlei Toleranz geben.
Botschafter Prosor sagte, der 7. Oktober sei der schlimmste Tag in der Geschichte Israels gewesen. »Israel wird nie wieder so sein wie davor.« Er kündigte einen »langen Krieg« gegen die Hamas an, für den einzig die Terrormiliz verantwortlich sei. Der Vizepräsident des Zentralrates Dainow sagte, alter Antisemitismus sei »in neuem Gewand auf den deutschen Straßen wieder präsent«.
Haus auch für andere Religionen offen
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dessau, Alexander Wassermann, sagte, sein Haus solle ein Haus der Begegnung und des regen Austauschs sein. Es solle auch anderen Religionsgruppen fürs Gebet offenstehen.
Ministerpräsident Haseloff betonte, die Synagoge sei ein »Symbol eines Neuanfangs«. »Aber wir müssen uns auch an die Vergangenheit erinnern, uns ihr immer wieder stellen.« Die Zukunft müsse gemeinsam so gestaltet werden, »dass Frieden und Menschlichkeit immer mehr Raum greifen«.
Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Robert Reck nannte die Einweihung einen »historischen Moment von großer Bedeutung«. Die neue Synagoge sei ein Ort des Gebets, der Begegnung und des Miteinanders. Die Jüdische Gemeinde gestalte das kulturelle Leben in der Stadt mit, bereichere und präge sie.
Mit der neuen Synagoge verfügt die Gemeinde über ein modernes, barrierefreies Zentrum. Erste Pläne für den Bau gab es bereits vor einigen Jahren. 2015 hatte die Kurt-Weill-Stiftung eine erste Studie für ein neues Gotteshaus in Auftrag gegeben. Errichtet wurde die Synagoge nach den Plänen eines für solche Bauten bekannten Architekturbüros aus Frankfurt am Main.
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