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Ein Jahr Ausnahmezustand: El Salvador kämpft gegen Banden

Präsident Bukele greift mit Massenverhaftungen gegen gefürchtete Gangs durch. Aktivisten werfen Behörden schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Bei der Bevölkerung kommt die Politik gut an.

Insassen in El Salvador
Insassen, die von den Behörden als Bandenmitglieder identifiziert wurden, werden in Tecoluca in das Gefängnis für Terrorismus gebracht. Das Foto wurde von der Pressestelle des Präsidenten von El Salvador zur Verfügung gestellt. Foto: Uncredited
Insassen, die von den Behörden als Bandenmitglieder identifiziert wurden, werden in Tecoluca in das Gefängnis für Terrorismus gebracht. Das Foto wurde von der Pressestelle des Präsidenten von El Salvador zur Verfügung gestellt.
Foto: Uncredited

Im Kampf gegen die berüchtigten Jugendbanden hat El Salvador den umstrittenen Ausnahmezustand in dem mittelamerikanischen Land um weitere 30 Tage verlängert. Das Parlament stimmte in der Nacht mit großer Mehrheit für den Antrag des konservativen Präsidenten Nayib Bukele. Die dadurch eingeführten Einschränkungen von Grundrechten werden am 27. März dann bereits ein Jahr lang bestehen.

Das harte Vorgehen gegen die sogenannten Maras sorgte international für Aufsehen, als Tausende Häftlinge Ende Februar in ein neues Hochsicherheitsgefängnis gebracht wurden. Die Regierung veröffentlichte ein Video von der Verlegung der tätowierten Verdächtigen, die nur mit weißen Shorts bekleidet waren und dicht nebeneinander in langen Reihen aufgestellt wurden. Weitere 2000 Menschen wurden am Mittwoch in das Gefängnis verlegt, wie der Präsident auf Twitter schrieb.

Ausnahmezustand seit März vergangenen Jahres

Nach einer Gewaltwelle mit 62 Todesopfern binnen eines Tages hatte die Regierung Ende März 2022 den Ausnahmezustand für zunächst 30 Tage beantragt. Seitdem wurde die Maßnahme vom Parlament immer wieder verlängert. Der Ausnahmezustand erlaubt es der Polizei, Verdächtige ohne Haftbefehl festzunehmen. Rund 65.000 mutmaßliche Bandenmitglieder wurden bislang gefasst.

In dem Land mit sechs Millionen Einwohnern sank die Zahl der Tötungsdelikte nach Regierungsangaben im vergangenen Jahr mit 495 auf einen historischen Tiefstand. Im Jahr davor waren es noch mehr als doppelt so viele. El Salvador galt einst als eines der gefährlichsten Länder der Welt.

»Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen«

Der Ausnahmezustand erlaubt zudem die Einschränkung einer Reihe von Grundrechten und führte laut Menschenrechtsorganisationen zu willkürlichen Festnahmen. »Während des Ausnahmezustandes werden schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen«, sagte die Regionalchefin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Tamara Taraciuk Broner, unlängst. »Die salvadorianischen Behörden pferchen Festgenommene auf unmenschliche Art zusammen, darunter auch Hunderte Kinder, während sie auf der anderen Seite wenig dafür tun, den Opfern von Ganggewalt Zugang zum Rechtssystem zu verschaffen.«

Nach Angaben von Human Rights Watch wird den meisten Verdächtigen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Der Straftatbestand ist sehr weit definiert und umfasst jegliche Art von Kontakt zu den Gangs. Nur einem sehr kleinen Teil der Festgenommenen werden konkret schwere Straftaten wie Mord oder Vergewaltigung vorgeworfen.

Umfragen zufolge sind in der Bevölkerung die Maßnahmen beliebt. Die Zustimmungsrate für die Arbeit des Präsidenten lag laut der Zeitung »La Prensa Gráfica« zuletzt bei 91 Prozent. Im Februar 2024 will Bukele wieder kandidieren. Die Verfassung verbietet zwar eine unmittelbare Wiederwahl. Die regierungstreuen Verfassungsrichter des Obersten Gerichts hoben dieses Verbot allerdings auf.

© dpa-infocom, dpa:230316-99-970749/6