OTTOWA. Gut einen Monat vor der vermutlich engen Parlamentswahl in Kanada bringt ein Foto Regierungschef Justin Trudeau in Bedrängnis.
Das »Time Magazine« veröffentlichte am Mittwoch (Ortszeit) ein Bild von 2001, das Trudeau auf einem Kostümball mit dem Titel »Arabische Nächte« mit einem dunkel geschminkten Gesicht, einem Gewand und einem Turban zeigt.
Trudeau reagierte umgehend und entschuldigte sich. »Ich habe mir ein Aladdin-Kostüm angezogen und Make-up aufgetragen«, sagte er bei einer eilig angesetzten Pressekonferenz an Bord eines Flugzeuges. »Ich hätte das nicht tun sollen. Ich hätte es besser wissen sollen, aber das habe ich nicht. Es tut mir wirklich leid.«
Er fügte hinzu: »Es war etwas, von dem ich damals nicht dachte, dass es rassistisch wäre, aber jetzt erkenne ich, dass es etwas Rassistisches war.« Er werde weiter daran arbeiten, Intoleranz und Diskriminierung zu bekämpfen, auch wenn er in der Vergangenheit offensichtlich einen Fehler gemacht habe.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme vor fast 20 Jahren war Trudeau 29 Jahre alt. Das Bild war laut »Time Magazine« im Jahrbuch einer Privatschule in Vancouver veröffentlicht worden, in der Trudeau damals gelehrt hatte.
In Kanada wird am 21. Oktober gewählt. Der Wahlkampf läuft seit einer guten Woche. Umfragen zufolge liegen Trudeaus Liberale und die Konservativen seines schärfsten Konkurrenten Andrew Scheer trotz boomender Wirtschaft und niedriger Arbeitslosenquote eng beieinander, letzte Umfragen hatten Trudeau aber leicht im Aufwind gezeigt.
Scheer zeigte sich »schockiert und enttäuscht« von Trudeaus »offenem Akt von Rassismus«: »Was die Kanadier heute Abend gesehen haben, ist jemand mit einem völligen Mangel an Urteilsvermögen und Integrität, jemand, der nicht in der Lage ist, dieses Land zu regieren.« Jagmeet Singh, Vorsitzender der Partei »Neue Demokratie« und Angehöriger der Religionsgruppe der Sikh, sprach von einer »Beleidigung«.
Wenige Wochen vor der Wahl richtet sich die Aufmerksamkeit somit nun allein auf das Foto, das Titelthema in allen größeren Zeitungen und Nachrichtensendungen ist. Dabei dürfte es Trudeau nicht zugute kommen, dass er selbst im Jahr 2015 angetreten war, um sein Amt mit einem neuen Verständnis von Offenheit und Toleranz zu füllen und damit zur eigenen Fallhöhe beitrug.
Das Image des 47-Jährigen hatte bereits in den vergangenen Monaten angesichts eines Skandals um Ermittlungen gegen die kanadische Firma SNC-Lavalin gelitten. Dieser wurde vorgeworfen, Schmiergeld für Geschäfte in Libyen bezahlt zu haben. Premier Trudeau wird in der Sache beschuldigt, dass er Ermittlungen seiner damaligen Justizministerin gegen das Unternehmen habe unterdrücken wollen. Mitte August kam eine Ethik-Kommission zu dem Schluss, Trudeau habe sich falsch verhalten.
Wie sich die Affäre um das Foto nun auf den Wahlkampf der Liberalen in dem diversen Land auswirkt, bleibt abzuwarten. Viele Kanadier mit einem Migrationshintergrund aus dem Nahen Osten oder Südasien gehören zum Wählerstamm der Partei, gerade in der Region um die Metropole Toronto. Der Ministerpräsident entschuldigte sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit auch bei Vertretern von Minderheiten und bemüht sich um Schadensbegrenzung.
Viele seiner Wähler zu Hause hatte Trudeau aber auch schon vergangenes Jahr irritiert, als er zusammen mit seiner Familie bei einem Besuch in Indien traditionelle Gewänder anlegte und an religiösen Veranstaltungen teilnahm. Auf viele Kanadier wirkte der Ministerpräsident damals schon wie der Gast auf einer Kostümparty, es hagelte Kritik. (dpa)