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Dramatische Engpässe bei Babynahrung - Biden unter Druck

Viele Eltern suchen dieser Tage in den USA verzweifelt nach einem eigentlich banalen Produkt: Säuglingsnahrung. Das Milchpulver ist zur Mangelware geworden - und Biden hat das Thema zur Chefsache gemacht.

US-Präsident Joe Biden
US-Präsident Biden wendet ein Gesetz aus Kriegszeiten an, um die Engpässe bei Babynahrung zu stoppen. Foto: Susan Walsh
US-Präsident Biden wendet ein Gesetz aus Kriegszeiten an, um die Engpässe bei Babynahrung zu stoppen.
Foto: Susan Walsh

US-Präsident Joe Biden steht wegen dramatischer Engpässe bei Babymilchnahrung unter Druck und hat zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen.

Biden entschied, das ursprünglich für Kriegszeiten eingeführte Gesetz »Defense Production Act« anzuwenden, um die Produktion von Milchpulver anzukurbeln, wie das Weiße Haus mitteilte. Konkret ordnete der US-Präsident an, dass Hersteller von Säuglingsmilchnahrung von Lieferanten bevorzugt vor anderen Kunden mit den nötigen Zutaten versorgt werden. Seit Wochen herrscht in den USA ein Mangel an Milchpulver. Einige Republikaner nutzen die Krise, um Stimmung gegen Migranten zu machen.

Hintergrund des Engpasses ist der Ausfall einer Fabrik des größten Herstellers von Säuglingsmilchnahrung in den USA, Abbott. Der Produzent hatte mehrere Produktlinien zurückgerufen, nachdem womöglich wegen bakterieller Verunreinigungen vier Säuglinge erkrankt und zwei gestorben waren. Die Produktion in einem Werk der Firma im Bundesstaat Michigan wurde vorerst komplett gestoppt.

Biden greift in Privatwirtschaft ein

Das Gesetz »Defense Production Act« erlaubt es dem US-Präsidenten nun, im Interesse der nationalen Sicherheit in die Privatwirtschaft einzugreifen. In der Corona-Pandemie war die Regelung zuletzt bereits zum Einsatz gekommen, um Unternehmen zur verstärkten Herstellung von medizinischen Geräten und Schutzmasken zu verpflichten.

Um den Import von Babymilchpulver zu beschleunigen, habe Biden nun außerdem angewiesen, dass Verkehrsflugzeuge des Verteidigungsministeriums genutzt werden könnten, um Säuglingsnahrung aus dem Ausland in die USA zu bringen, hieß es weiter aus dem Weißen Haus. Wie schon zu Beginn der Corona-Pandemie werde das Pentagon seine Verträge mit kommerziellen Luftfrachtunternehmen nutzen, um Produkte aus ausländischen Produktionsstätten zu transportieren. Die Umgehung der regulären Luftfrachtrouten spare viel Zeit.

Erst am Montag hatte die US-Regierung angekündigt, wegen der Engpässe mehr Importe von Babymilchpulver zuzulassen. Der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé hat mittlerweile seine Lieferungen von Babynahrung in die USA ausgeweitet. Zunächst seien vor allem größere Mengen von Marken geliefert worden, die besonders für Babys mit einer Allergie gegen Kuhmilch geeignet seien, teilte eine Sprecherin am Sitz des Unternehmens in Vevey am Genfersee mit. Zum einen seien Bestellungen früher als geplant verschifft worden, zum anderen sei zusätzlich Babynahrung per Flugzeug geliefert worden. Weitere zusätzliche Lieferungen würden geprüft.

Republikaner machen Stimmung gegen Migranten

Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas wies Kritik von Republikanern zurück, wonach die US-Regierung das noch vorhandene Babypulver angeblich vorrangig an der US-Südgrenze an Migrantinnen und Migranten verteilen würde. Dies hatten einige Republikaner zuletzt ohne Beweise immer wieder verbreitet. »Die Verbindung zwischen der Erfüllung unserer humanitären und rechtlichen Verpflichtung gegenüber diesen Babys und einem Versorgungsproblem im Inneren der Vereinigten Staaten ist falsch und widerwärtig«, hatte Mayorkas Anfang der Woche erklärt.

Der einflussreiche republikanische Gouverneur des US-Bundesstaats Texas, Greg Abbott, erklärte zum Beispiel jüngst, Biden verschließe die Augen vor Eltern in den USA, »die mit dem Alptraum eines landesweiten Mangels an Babynahrung« konfrontiert seien. »Während Mütter und Väter in Panik auf leere Lebensmittelregale starren, gibt die Biden-Regierung gern illegalen Einwanderern, die über unsere südliche Grenze kommen, Babynahrung«, so Gouverneur Abbott in einer gemeinsamen Mitteilung mit dem Präsidenten einer Gewerkschaft der Grenzbeamten. Heimatschutzminister Mayorkas machte daraufhin deutlich, dass die US-Regierung sich selbstverständlich auch um die Grundbedürfnisse von Migranten kümmere.

Die US-Arzneimittelbehörde warnte angesichts des Engpasses davor, Babynahrung zu Hause selbst herzustellen. Es sei wichtig, dass nur Einrichtungen mit Erfahrung Babynahrung herstellten. Die FDA einigte sich nach eigenen Angaben auch mit Abbott auf diverse Vorkehrungen, um die betroffene Fabrik wieder zu eröffnen. Bis die Produktion dort aber wieder angelaufen sei und Säuglingsmilchnahrung in den Handel ausgeliefert werden könne, werde es mehrere aber Wochen dauern, teilte das Unternehmen mit.

© dpa-infocom, dpa:220519-99-345626/4