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Die SPD siegt weiter - Desaster für die Union

Nur gut ein Prozent der 60 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland leben im Saarland. Trotzdem ist die Wahl dort ein Signal an Berlin. Die neue Kanzlerpartei hat den ersten Stimmungstest bestanden.

Feier
Gäste der SPD-Wahlparty in Saarbrücken feiern den deutlichen Sieg bei der Landtagswahl. Foto: Boris Roessler
Gäste der SPD-Wahlparty in Saarbrücken feiern den deutlichen Sieg bei der Landtagswahl.
Foto: Boris Roessler

Der Siegeszug der SPD hält auch nach der Bundestagswahl an. Mit dem haushohen Triumph der Spitzenkandidatin und stellvertretenden Vorsitzenden Anke Rehlinger im Saarland hat die neue Kanzlerpartei von Olaf Scholz den ersten Stimmungstest nach der Regierungsbildung eindrucksvoll bestanden.

Die Union, die sich seit etwas mehr als 100 Tagen mit ihrer neuen Oppositionsrolle abfinden muss, bleibt auf der Verliererstraße. Auch wenn im Saarland nur gut ein Prozent der etwas mehr als 60 Millionen Wahlberechtigten ganz Deutschlands leben, gilt das Wahlergebnis als Signal für den Bund.

Klingbeil: »Sensationeller Sieg«

SPD-Chef Lars Klingbeil sagt in einer ersten Reaktion im Willy-Brandt-Haus zwar, es sei in erster Linie ein »sensationeller Sieg«, der mit dem Namen Rehlinger verbunden sei. Er macht aber auch deutlich, dass er auf eine Ausstrahlung über das kleine Saarland hinaus setzt. Das Ergebnis zeige: »Das Comeback der SPD, das wir bei der Bundestagswahl erlebt haben, das ist nicht einmalig.«

Wie viel die Bundespolitik mit dem Wahlergebnis tatsächlich zu tun hat, ist schwer zu fassen. Scholz und seine Ampel-Regierung waren nach der Bundestagswahl zwar in den Umfragen abgesackt. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs geht es aber zumindest für SPD und Grüne wieder nach oben. In Krisenzeiten haben es Regierungsparteien immer leichter zu punkten. Die Kehrtwende von Kanzler Scholz in der Außen- und Sicherheitspolitik kommt gut an. Und das kurz vor der Wahl beschlossene Entlastungspaket als Ausgleich für die hohen Energiepreise könnten auch auf das Konto der SPD eingezahlt haben.

Allerdings besteht auch in der SPD weitgehende Einigkeit darüber, dass der Sieg in erster Linie auf das Konto der Saar-SPD geht und die Bundespartei allenfalls geholfen hat.

Bundes-CDU hat Machtverlust eingepreist

In der CDU-Zentrale ist am Abend von Wahlparty keine Spur - bis auf Parteivize Andreas Jung und Generalsekretär Mario Czaja ist keiner aus der Bundesspitze der Christdemokraten ins Konrad-Adenauer-Haus in Berlin gekommen. Anhänger sind gar nicht erst eingeladen worden, das wird mit den hohen Corona-Zahlen begründet. Auch die sonst übliche Ausstattung mit riesigen Video-Leinwänden gibt es nicht. Totenstille herrscht im Foyer, nicht einmal der einzige Fernseher ist auf laut gestellt. Sowas hat es lange nicht gegeben bei der CDU, wenn überhaupt.

Seit Wochen hatten sie in der CDU-Spitze den Machtverlust an der Saar nach 23 Jahren Unionsregierung eingepreist. CDU-Ministerpräsident Tobias Hans habe Performance-Probleme gehabt und es nicht geschafft, die Anhänger zu mobilisieren, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Am Wahlabend sagt Czaja: »Es kommt darauf an, dass wir deutlich machen, wofür wir stehen. Das ist im Saarland so nicht gelungen. Und hier in Berlin tun wir das.« Auswirkungen auf die im Mai anstehenden Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sehe er derzeit nicht.

Union nimmt Merz in Schutz

In der Union geht es nun darum, die Schmach des Absturzes vom neuen CDU-Chef und Oppositionsführer Friedrich Merz fern zu halten. Eine Niederlage werde die CDU im Bund nicht erschüttern, hieß es vor der Wahl. Merz sei ja auch erst seit Januar im Amt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Besonders stark haben sich Merz und andere CDU-Bundesleute im Saarland nicht gerade ins Zeug gelegt. An diesem Montag wird sich Merz erklären müssen: Am frühen Nachmittag ist der übliche gemeinsame Auftritt des Parteichefs mit dem Spitzenkandidaten geplant. Dann wird sich zeigen, ob gilt, was Czaja am Abend sagt: »Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen.«

Bitterer Tag für »kleinere Parteien«

Die klare Dominanz von Union und SPD im Vergleich zu den »kleineren Parteien« bei Wahlen ist eigentlich längst Geschichte. Im Saarland erlebt sie jetzt aber eine kleine Renaissance. Die AfD kommt nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis zwar knapp wieder in den Landtag, Grüne und FDP scheitern dagegen knapp an der 5-Prozent-Marke.

Besonders bitter sieht es für die Linke aus, die mit dem ehemaligen Bundesparteichef Oskar Lafontaine an der Spitze noch auf 12,8 Prozent gekommen war. Lafontaine ist kurz vor der Wahl aus der tief zerstrittenen Partei ausgetreten, die Linke fliegt nun mit nur noch 2,6 Prozent aus dem Landtag. Ein Desaster auch für die Bundespartei.

SPD besetzt wieder jeden zweiten Ministerpräsidentenposten

Mit Rehlinger wird die SPD nun bundesweit wieder mehr Ministerpräsidenten als die Union stellen, nämlich acht. Vier davon sind Frauen. Bisher stand es sieben zu sieben zwischen CDU/CSU und SPD. Hinzu kommen Winfried Kretschmann von den Grünen in Baden-Württemberg und Bodo Ramelow von der Linken in Thüringen.

Auf den Bundesrat hat das neue Kräfteverhältnis aber keine größeren Auswirkungen, weil die Landesregierungen insgesamt sehr stark zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien durchmischt sind. Bisher gibt es nur zwei Länder, die ausschließlich von Ampel-Parteien regiert werden: Rheinland-Pfalz (SPD/Grüne/FDP) und Hamburg (SPD/Grüne). Beide haben zusammen 7 von 69 Stimmen in der Länderkammer. Mit dem Saarland könnten 3 weitere für die Ampel hinzukommen. Bis zur Mehrheit von 35 Stimmen fehlen dann aber immer noch 25.

Erste von vier Landtagswahlen in diesem Jahr

Der Sieg der SPD bedeutet den ersten Machtwechsel auf Landesebene seit fünf Jahren. »Dieser gordische Knoten ist also durchschlagen«, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Er hofft nun, dass es Rückenwind für die nächsten Wahlen gibt. Die Wahl im Saarland ist nur der Auftakt für eine Serie von vier Landtagswahlen in diesem Jahr. Bei den nächsten beiden fordert die SPD wie im Saarland CDU-Regierungschefs heraus.

Am 8. Mai wird in Schleswig-Holstein gewählt. Da könnte die CDU mit dem beliebten Ministerpräsidenten Daniel Günther die Kurve kriegen und endlich wieder einen Wahlsieg einfahren. Die Umfragen deuten jedenfalls bisher darauf hin.

Nordrhein-Westfalen Höhepunkt des Wahl-Jahres

Der Höhepunkt des Wahljahres folgt am 15. Mai im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Dort fordert der SPD-Vize Thomas Kutschaty den CDU-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst heraus. In den Umfragen gibt es seit der Bundestagswahl noch keinen klaren Trend: Erst lag die CDU klar hinter der SPD, dann holte sie auf und lag in der jüngsten Forsa-Umfrage von Anfang März erstmals mit 32 Prozent klar vor der SPD (27 Prozent). Geht auch die NRW-Wahl für die CDU schief, dürfte in der Union ein Murren über Merz beginnen, der aus Nordrhein-Westfalen stammt.

In Niedersachsen endet das Wahljahr im Oktober. Dort werden SPD-Ministerpräsident Stephan Weil gute Chancen auf eine dritte Amtszeit eingeräumt.

© dpa-infocom, dpa:220327-99-692742/3