Logo
Aktuell Inland

Die CSU und Söders Sorgen für 2024

Geht es nach den Christsozialen, endet die Regierungszeit der Ampel spätestens mit der Europawahl im Juni. Zu Jahresbeginn betont die CSU ihre Bereitschaft zum Regieren - wohlwissend um die offenen Fragen.

Markus Söder
CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern: Markus Söder. Foto: Peter Kneffel/DPA
CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern: Markus Söder.
Foto: Peter Kneffel/DPA

Nein, ohne Not und Hintertür kann und will Markus Söder auch Anfang 2024 bei der »K-Frage« in der Union nicht aus seiner Haut. »Die derzeitige Favoritenrolle ist ja ganz klar benannt, bei Friedrich Merz«, sagte der CSU-Chef zwar ungefragt von sich aus zu Beginn der CSU-Bundestagsklausur im verregneten Kloster Seeon unweit des Chiemsees. Und auch sonst lobt Söder Merz in höchsten Tönen.

Unter ihm als CDU-Chef seien sich die Schwesterparteien so nah wie lange nicht: In den großen inhaltlichen Fragen gebe es eine »nahezu identische Grundauffassung«.

Wer Söder zuhört, könnte meinen, aus der Schwesterpartei sei eine Zwillingspartei geworden. »Wir sind eine eigenständige Partei. Wir kandidieren auch eigenständig«, betont er daher sicherheitshalber nochmals zum Ende seines Statements.

Söder und die Frage nach der Kanzlerkandidatur

Söder hat zur Kanzlerkandidatenkür bei CDU und CSU aber noch mehr zu sagen: Die Schwesterparteien sollten sich in der aktuellen Phase nicht ablenken lassen. »Wir werden, wenn eine Wahl ansteht, rechtzeitig zu einer guten gemeinsamen Haltung finden, aber nicht das ganze Jahr über die Frage reden.« Dieser Appell richte sich, so Söder auf Nachfrage zu den Journalisten, »an Sie und uns«. Nach den Ost-Landtagswahlen im September oder kurz davor würden er und Merz einen Vorschlag unterbreiten, der mehrheitsfähig sei.

Bei so viel Einigkeit und Respekt bleibt aber die Frage, warum Söder in der K-Frage nicht schon jetzt einen Rückzieher macht. Theoretisch blieben damit ja dennoch weitere potenzielle Kandidaten - etwa der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) - im Rennen. Schon vor Wochen hatte auch der Gastgeber der Klausur, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Merz zum »klaren Favoriten« ernannt. Verglichen damit klingt Söders Aussage zur derzeitigen Favoritenrolle schon deutlich zurückhaltender.

Blickt man auf die aktuelle Lage der Union, so ist die ungeliebte und ungelöste K-Frage also einmal mehr die große Unbekannte, die nicht so recht ins gewollte Bild der Unionsstrategen passt: Die Union sei jederzeit regierungsfähig und bereit, die von ihr seit einer gefühlten Ewigkeit durchweg kritisierte Ampel-Regierung abzulösen. »Wir sind bereit. Wir haben das Programm«, betont Söder. Und Dobrindt erklärt wieder, die Ampel habe längst ihre Legitimation verloren.

Als Indikator nennen CSU und CDU die aktuellen Umfragewerte, die unabhängig vom Institut, die Union mit Werten von bis zu 34 Prozent mindestens gleichauf mit allen drei Ampelparteien zusammen sieht. »Noch nie gab es eine Regierung, die so wenig Vertrauen bei der Bevölkerung hatte«, fasst Söder die Lage zusammen. Hinzu komme, dass nicht mal SPD, FDP und Grüne sich selbst noch gegenseitig vertrauten. Für Dobrindt ist klar, die Ampel setze alles daran, ihre Arbeit im Sinne einer »Kneipenschlägerei« fortzusetzen. Dies führe zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft und stärke am Ende die AfD.

»Dieses Land braucht Chancen statt Scholz«

Die Ampel habe Deutschland in Unruhe gebracht, betont Dobrindt. "Was wir zurzeit erleben an Polarisierung in der Gesellschaft, an wirtschaftlichem Abschwung, an Migrationskrise, an ungelösten Energiefragen, an Unordnung, ist engstens mit der Respektlos-Politik der Ampel verbunden." 80 Prozent der Menschen trauten der Regierung nicht mehr zu, dass sie die Herausforderungen des Landes bewältigen könne. Deswegen müsse Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. »Dieses Land braucht Chancen statt Scholz«, fasst es Dobrindt zusammen.

Die CSU wolle mit ihrer Klausur auch zeigen, dass die Union »keine Variante einer Ampel-Regierung«, sondern der politische Gegenentwurf sei, so Dobrindt. Sie lehne nicht nur die Politik der Ampel ab, sie werde sich nach der nächsten Wahl auch dafür einsetzen, dass Fehlentwicklungen rückabgewickelt würden. Als Beispiele nennt er die Abschaffung des Heizungsgesetzes und des Bürgergeldes.

Im Fußball würde man bei einer derart desolaten Lage mitten in der Saison den Trainer entlassen, sagt Söder. »Ich glaube, dass der Trainerwechsel, also der Kanzlerwechsel, allein nichts bringen würde, sondern es braucht generell eine Neuwahl. Nur so lässt sich Vertrauen wiederherstellen.« Eine schnelle Neuwahl birgt aus seiner Sicht die Chance, ein weiteres Erstarken der AfD zu verhindern.

Doch zurück zu K-Frage: Denn vor seinem Satz über die Favoritenrolle von Merz erklärt Söder, wo er eine andere Meinung vertritt als der CDU-Chef: Anders als der Sauerländer, dessen Verhältnis zur früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) seit Jahrzehnten schlecht ist, lobt Söder wieder mal deren Regierungszeit. Es sei »sehr wichtig, dass wir auf der einen Seite klarmachen, dass die 16 Jahre, in der wir regiert haben, gute Jahre waren«.

Keine Koalition mit den Grünen

Mit Blick auf künftige Bündnisse erteilt Söder Koalitionsideen mit den Grünen eine klare Absage - bürgerliche Wähler würden davon nur abgeschreckt. »Also ich finde eine Deutschland-Koalition, wenn es denn nicht anders reichen würde, derzeit immer noch besser als eine Jamaika-Koalition.« Ein Bündnis von Union und SPD - bei Bedarf auch mit SPD und FDP würde bei der Mehrzahl der Bürger mehr Vertrauen erwecken als alle anderen Koalitionen - einschließlich der Ampel.

Merz selbst kommt übrigens nicht nach Seeon. »An diesem Wochenende wird mein Vater 100 Jahre alt. Die ganze Familie ist zu Besuch. Die Familie geht in diesem Jahr vor«, hatte der Oppositionsführer im Bundestag schon vor Tagen über den »Münchner Merkur« mitgeteilt.

Hinter Söders Dauerforderung nach Neuwahlen, am liebsten parallel zur Europawahl im Juni, und Neu-Koalitionen verbirgt sich ein anderes Kalkül: CSU und CDU könnten dann auf bessere Ergebnisse hoffen. Hinzu kommt, dass die CSU gelassener der Fünf-Prozent-Hürde entgegensehen könnte. Sollte sie darunter landen und das Bundesverfassungsgericht den Klagen gegen das neue Wahlrecht nicht Recht geben, würden künftig die CSU-Direktkandidaten nicht mehr in den Bundestag einziehen. Dies lässt auch die CDU nicht kalt - denn ohne die CSU-Stimmen kann auch kein CDUler Kanzler werden.

© dpa-infocom, dpa:240106-99-511642/4