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Die CSU auf dem Weg in Söders Schicksalsjahr

In Augsburg gastiert die CSU nur selten mit Parteitagen. Parteichef Söder hat dort eine klare wie schwierige Aufgabe. Es geht um den parteieigenen Kompass und Zukunftsfragen in schwierigen Zeiten.

Markus Söder
Im Zeichen der CSU: Markus Söder auf dem Parteitag in Augsburg. Foto: Peter Kneffel
Im Zeichen der CSU: Markus Söder auf dem Parteitag in Augsburg.
Foto: Peter Kneffel

Je länger die Rede von Markus Söder dauert, umso mehr bricht es aus ihm heraus: Ärger über die Ampel-Regierung im Bund, Sorgen vor unkalkulierbaren Folgen der Energiekrise und auch Frust über Kritik an seiner eigenen Arbeit.

Doch der CSU-Chef weiß, dass die Delegierten auf dem Parteitag mehr von ihm hören wollen: Sie erwarten einen Kompass für die kommenden Monate - Antworten auf all die Fragen, die ihnen die Menschen im anstehenden bayerischen Landtagswahlkampf stellen werden.

Geben kann Söder die Antworten auf die noch nicht gestellten Fragen in der Zukunft an diesem Freitag in Augsburg freilich nicht alle, aber er bemüht sich dennoch um neue Orientierung: »Wir kümmern uns, wir können Krise und wir werden alles dafür tun, dass Bayern durch diese schweren Zeiten kommt.« Zugleich warnt er seine Parteifreunde vor zu viel »Hybris« und Arroganz, dies sei eine Schwäche der CSU, die in den kommenden Monaten nicht gezeigt werden dürfe: »Es ist wichtig, jetzt stabil und sicher zu regieren. Bitte nicht abheben.«

Söder wirbt für Nähe und Präsenz

Stattdessen müsse die CSU ihre größte Stärke zeigen: Nah an den Menschen Präsenz im Land zeigen, sagt Söder und es wirkt ein wenig wie eine Erklärung für sein eigenes Handeln. Seit Monaten, seit es aus Söders Sicht die Corona-Krise zulässt, tourt der bayerische Ministerpräsident tagaus und tagein durch den Freistaat, keine Feier ist zu klein für einen Besuch, kein Richtfest zu weit entfernt. So ist es durchaus bemerkenswert, dass Söder wegen des Parteitags praktisch 24 Stunden an einem Ort ist.

Söder tourt nicht ohne Grund durchs Land: Nach den Corona-Jahren und dem von ihm selbst lange verantworteten strengen Kurs im Infektionsschutz soll der Draht zu den Bürgern wieder besser werden, getreu dem CSU-Motto »Näher am Menschen«. Viele - auch in der CSU - sehen darin einen versteckten Vorwahlkampf. 2023 gilt als Söders Schicksalsjahr. Im Herbst wird in Bayern gewählt.

Fakt ist aber, dass Söders Terminpensum bislang nichts Zählbares für die CSU bringt. In Umfragen verharrt die Partei seit März 2021 im Bereich des Wahlausgangs von 2018 (37,2 Prozent), den Söder selbst ja als »schmerzhaftes Ergebnis« wertete, aus dem die Partei Lehren ziehen müsse. Pünktlich zum Parteitag liefert aber ausgerechnet eine repräsentative Umfrage des Institutes Forsa mit 41 Prozent einen für die CSU psychologisch wichtigen Wert - in der Partei wird es nur wenige stören, dass die Umfrage im Auftrag der CSU erstellt wurde.

»Söder rackert viel, er arbeitet viel, aber er ist eben nicht jedermanns Liebling«, versucht sich ein CSU-Vorstand in einer Erklärung zu den stagnierenden Umfragewerten. Andere Analysen von Mitgliedern aus der Parteispitze fallen drastischer aus: Söder und damit die CSU hat ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Suche nach dem Kompass

Erklärt wird dies gerne mit den 180-Grad-Wendungen in den vergangenen Jahren. Dadurch sei der Kompass der CSU durcheinander geraten. Als Beispiele werden der extrem konservative Kurs unter Söders Vorgänger Horst Seehofer (unter Beteiligung Söders) in der Asylfrage genannt, der einst beinahe die Unionsgemeinschaft mit der CDU zerstört hätte, dann der Schmusekurs zur CDU bis hin zu Söders »Vergrünung« der CSU samt Baumumarmungen und Sympathien für Koalitionen mit den Grünen.

Auch Söders verlorener Kampf um die Unionskanzlerkandidatur und die dadurch mitverschuldete Pleite bei der Bundestagswahl seien nach wie vor nicht verdaut. »Gerade in den reflektierenderen Milieus hat das für viel Verwirrung und auch Skepsis wegen fehlender Konstanz gesorgt«, heißt es aus hohen Parteikreisen.

Erst habe Söder sich mit Sätzen wie »Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit« als Modernisierer inszeniert, nun arbeite er auch aus Sorge um die konservativen Stammwähler an einer Renaissance der »Bayern gegen Berlin-Politik«, fordere die Rückkehr jener Atomkraft, deren Ende er selbst einst mit propagierte. Vor wenigen Wochen kassierte Söder sogar die von ihm selbst verlangte Frauenquote wieder ein, »völlig ohne jede Not«, meinen kopfschüttelnde Kritiker.

Das sei aber nicht das einzige Problem, ist zu hören. Letztlich fehle ein überzeugendes Konzept, ein in sich schlüssiger Gegenentwurf, der über das »Weiter so in Bayern« und das »Dagegen im Bund« hinausgehe. Gerade auch mit Blick auf die Landtagswahl. »Was immer die CSU jetzt an der Energiepolitik des Bundes kritisiert, nach 16 Jahren als Teil der Bundesregierung sind wir in der Mithaftung«, sagt ein Vorstandsmitglied. »Da kommen wir nicht aus der Verantwortung, da können wir meckern und mit dem Finger nach Berlin zeigen, wie wir wollen.« Aus diesem Grund profitiere die CSU in Umfragen auch nicht von der schwächelnden Ampel-Regierung im Bund.

Doch was bedeutet das für die Zukunft? Bis zur Wahl im Herbst 2023 sitzt Söder fest im Sattel. Die CSU ist berühmt für ihre Loyalität bis zum Wahltag. Bis dahin sei es Söders Glück, dass er keinen Söder hinter sich habe, sagt ein Vorstand und beschreibt damit zugleich ein weiteres Problem der Partei. Sollte das Ergebnis aber unter der 37 Prozentmarke landen, wird die Luft dünn - auch wenn die CSU dann weiter die klare Nummer eins im Land ist.

© dpa-infocom, dpa:221028-99-292097/9