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Die CDU in der Migrations-»Werkstatt«

Beim Start in die CDU-Aufarbeitung der Migrationspolitik werden unterschiedliche Akzente von CDU und CSU deutlich. Doch CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer und Bayerns CSU-Innenminister Herrmann wollen den zermürbenden Streit vergangener Jahre hinter sich lassen.

Annegret Kramp-Karrenbauer
Kramp-Karrenbauer hatte das »Werkstattgespräch« vor ihrer Wahl Anfang Dezember angekündigt. Merkel nimmt nicht teil. Foto: Kay Nietfeld
Kramp-Karrenbauer hatte das »Werkstattgespräch« vor ihrer Wahl Anfang Dezember angekündigt. Merkel nimmt nicht teil. Foto: Kay Nietfeld

BERLIN. Die CDU will bei einem »Werkstattgespräch« mit Praktikern und Wissenschaftlern an diesem Montag Reformvorschläge für die deutsche und europäische Migrationspolitik vorlegen.

Führende Politiker von CDU und CSU wollen in Berlin mit rund 100 geladenen Gästen in vier Arbeitsgruppen über Migration, Sicherheit und Integration diskutieren. Zum Abschluss sollen Handlungsempfehlungen für das Parlament und die Bundesregierung abgegeben werden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist bei dem »Werkstattgespräch« nicht dabei. Das soll eine offene Diskussion ermöglichen.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatten am Sonntagabend zum Auftakt des zweitägigen »Werkstattgesprächs« deutlich gemacht, dass sie die Migrationspolitik im Schulterschluss reformieren wollen. Beide setzten dabei unterschiedliche Schwerpunkte. Während Kramp-Karrenbauer davor warnte, mit nationalen Maßnahmen die europäische Einheit zu gefährden, forderte Herrmann eine bessere Kontrolle des Zuzugs nach Deutschland.

Kramp-Karrenbauer sagte, es sei immer Aufgabe der CDU gewesen, Lösungen auf nationaler Ebene zu finden und den Markenkern Sicherheit zu garantieren. Dadurch dürfe aber ein zweiter »Schutzmantel, den wir brauchen, nämlich ein starkes und funktionierendes Europa«, nicht gefährdet werden. Dieser Spagat sei auch in Zukunft zu leisten.

Deutschland sei als starker und wohlhabender Staat in der Mitte Europas Ziel von Zuwanderung, aber auch das starke Zentrum in Europa, sagte Kramp-Karrenbauer. »Alles, was wir tun, auch in einem nationalen Kontext, hat unmittelbare Auswirkungen auf die Diskussionen auch innerhalb anderer europäischer Staaten.«

Diese Äußerungen konnten auch als Signal an Kanzlerin Merkel verstanden werden, die im tiefen Zerwürfnis mit dem damaligen CSU-Chef Horst Seehofer im vergangenen Sommer davor gewarnt hatte, die europäische Einheit durch nationale Alleingänge zu gefährden. Kramp-Karrenbauer hatte das »Werkstattgespräch« vor ihrer Wahl Anfang Dezember angekündigt. Sie will verhindern, dass der Streit über den Migrationskurs ihrer Vorgängerin Merkel für die Union zu einem ähnlichen Trauma wird wie die Hartz-IV-Reformen für die SPD.

Zum Start ins Wahljahr mit der Europawahl Ende Mai und schwierigen Landtagswahlen im Osten im Spätsommer und Herbst forderte Herrmann ein Signal für einen starken Staat. Es sei für die Bürger eine wesentliche emotionale Frage, wie stark das Vertrauen in den Staat und die Demokratie sei. Es gehe auch um die kulturelle Identität des Landes. Die Menschen wollten spüren, dass die christliche Prägung Deutschlands nicht über Bord geworfen werde. »Wir lieben unser deutsches Vaterland, so wie es ist«, sagte der CSU-Politiker.

Herrmann forderte auch eine bessere Kontrolle des Zuzugs. Es sei eine gute Idee, Reisende ähnlich umfassend zu registrieren wie in den USA. Solche Kontrollen seien der Normalzustand in jedem halbwegs funktionierenden Land der Welt.

In einer Diskussion bei dem »Werkstattgespräch« plädierte der Migrationsforscher Gerald Knaus, der das EU-Türkei-Abkommen von 2016 mitentwickelt hat, für »moralischen Realismus«. Er schlug vor, Deutschland solle mit anderen europäischen Ländern Aufnahmelager am Mittelmeer einrichten und Migranten von dort nach schnellen Asylverfahren in ihre Herkunftsländer zurückschicken. Im Gegenzug könnten ihnen begrenzte Kontingente für die legale Einwanderung nach Europa in Aussicht gestellt werden.

Der Rechtswissenschaftler Daniel Thym von der Universität Konstanz erklärte: »2015 hatten wir, das muss man wohl anerkennen, einen teilweisen Kontrollverlust.« In einer verunsicherten Gesellschaft suchten die Menschen einfache Antworten. Allerdings seit inzwischen viel erreicht worden, auch auf EU-Ebene. Der Politikwissenschaftler Egbert Jahn von der Universität Frankfurt plädierte für einen »Abbau von Illusionen«. Die Ursachen von Migration ließen sich nicht leicht beseitigen. »Wir werden eine Zunahme in den nächsten Jahrzehnten von Flucht haben.«

Der Bonner Rechtswissenschaftler Christian Hillgruber verlangte mehr »Handlungsfreiheit« in der Migrationspolitik. Er kritisierte, dass Flüchtlinge nach mehreren Jahren in Deutschland Rechte erwerben, die ihnen einen dauerhafteren Aufenthalt ermöglichten. Der Chef des Bundesamts für Migration (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, meldete sich aus dem Publikum zu Wort und regte an, die rechtlich starke Stellung von Bürgerkriegsflüchtlingen in Europa zu überdenken.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), die die Arbeitsgruppe »Integration vor Ort« mit dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen leitet, sprach sich für eine Überprüfung der Zielgenauigkeit der Integrationskurse aus. »Wir müssen die Teilnahme steigern, insbesondere bei den Gruppen, die wir bislang schlecht erreichen. Und das sind Frauen mit Kindern«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Teilweise lahme bei den Betroffenen das Integrationsinteresse. (dpa)