Madrid (dpa) - Bei der UN-Klimakonferenz hat Deutschland sich zum Start der Ministerrunden als Antreiber präsentiert - doch Umweltschützer bewerten die Klimapolitik der Bundesregierung als mäßig.
Dank Kohle-Kompromiss, Klimapaket und internationalem Einsatz machte Deutschland im Klimaschutz-Index mehrerer Organisationen zwar vier Plätze gut und landete auf Rang 23, liegt aber noch hinter Staaten wie Indien oder Brasilien. Bundesumweltministerin Svenja Schulze forderte vor Vertretern aus knapp 200 Staaten mehr Einsatz der großen Volkswirtschaften. Wissenschaftler klagten hingegen, die Verhandlungen würden dem Ernst der Lage überhaupt nicht gerecht.
Die Klimaforscher trafen sich am Dienstag beim Klimagipfel mit der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg. »Die Diskrepanz zwischen dem, was hier hinter verschlossenen Türen bei den Verhandlungen passiert, und der Realität da draußen ist verstörend«, sagte Rachel Cleetus von der Union of Concerned Scientists (Vereinigung besorgter Wissenschaftler). »Wo immer wir hinschauen, sehen wir schon Veränderungen durch den Klimawandel, von den höchsten Bergen über die entlegensten Regionen bis hin zu den tiefsten Ozeanen«, warnte Ko Barrett vom Weltklimarat IPCC.
Thunberg sagte, dass so viele junge Menschen bei der Klimakonferenz seien, sei toll, es müssten aber auch die Wissenschaftler gehört werden. Bereits 2015 hatte sich die Weltgemeinschaft im Pariser Klimaabkommen das Ziel gesetzt, die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad zu reduzieren, aber die Treibhausgas-Emissionen steigen weltweit weiter.
Auch in Deutschland geht es nach Einschätzung der Organisationen Germanwatch, Climate Action Network (CAN) und New Climate Institute nicht schnell genug voran, weswegen die Bewertung im diesjährigen Klimaschutz-Index »mäßig« lautet. Pluspunkte gab es für Deutschlands Rolle bei den internationalen Klimaverhandlungen. Spitzenreiter bleibt demnach Schweden, gefolgt von Dänemark und Marokko. Die Klimaschützer urteilten aber auch, dass kein Land »sehr gut« abschneidet, und ließen die ersten drei Plätze der Rangliste erneut frei. Schlusslicht sind erstmals die USA - direkt hinter Saudi-Arabien und Taiwan.
Am Dienstag begannen offiziell die Klimaverhandlungen auf Ministerebene, zuvor hatten die Fachleute eine gute Woche lang Gespräche geführt. UN-Klimachefin Patricia Espinosa sagte, der Weltklimarat zeige auf, dass die Menschen vergifteten, was sie auf diesem Planeten am Leben halte. »Wir handeln nicht schnell genug, um die tiefgreifende Veränderung in unserer Gesellschaft zu verordnen, die die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten retten wird.«
Der Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, warnte vor Folgen des Klimawandels wie stärkeren Stürmen, Dürren und Überschwemmungen. Auch die Allianz kleiner Inselstaaten (AOSIS) machte deutlich, was für sie auf dem Spiel steht. Seine Heimat Belize leide unter einer massiven Dürre, sagte der Umweltminister des mittelamerikanischen Landes, Omar Figueroa, der im Namen der Inselländer sprach. Karibikinseln müssten sich hingegen noch jetzt von den »höllischen Hurrikans« der vergangenen Monate erholen, und im Pazifik und im Indischen Ozean bedrohten wegen des steigenden Meeresspiegels Überflutungen die Existenz ganzer Länder.
Derweil laufen die Verhandlungen nach Angaben von Diplomaten und Beobachtern zäh - das ist aber nicht ungewöhnlich. Je nach Thema bremsen demnach unter anderem China, Brasilien, Indien und Saudi-Arabien, aber auch die USA, die den Austritt aus dem Klimaabkommen eingeleitet haben. Es geht unter anderem um Regeln, nach denen Staaten Klimaschutz im Ausland finanzieren und sich selbst anrechnen können. Umweltschützer und die EU-Vertreter verlangten von der Konferenz aber auch ein klares Signal, dass die Staaten im kommenden Jahr ehrgeizigere Klimaschutzpläne vorlegen werden.
»Einige Entwicklungsländer gehen bereits mit gutem Beispiel voran«, sagte Schulze dazu. »Es wird höchste Zeit, dass die großen Volkswirtschaften folgen.« Sie kündigte an, dass Deutschland seinen Beitrag für die Anpassung an den Klimawandel in ärmeren Ländern um 30 Millionen Euro aufstockt. In Madrid pochen die Entwicklungsländer darauf, dass neben der Anpassung auch Schäden und Verluste durch zunehmende Extremwetter von reichen Staaten mitbezahlt werden müssen.