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Deutschland der Beihilfe zum Völkermord beschuldigt

Ein halbes Jahr nach Beginn des Gaza-Krieges nimmt der Druck auf Israel und seine Verbündeten zu. Vor dem höchsten UN-Gericht will Nicaragua ein Ende deutscher Waffenlieferungen an Israel durchsetzen.

Richter
Richter Nawaf Salam (3.v.r.) zu Beginn einer zweitägigen Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof. Foto: Patrick Post/DPA
Richter Nawaf Salam (3.v.r.) zu Beginn einer zweitägigen Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof.
Foto: Patrick Post/DPA

Nicaragua hat Deutschland vor dem höchsten UN-Gericht der Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen beschuldigt. Durch seine Waffenlieferungen an Israel ermögliche Deutschland einen Genozid und verstoße gegen internationales Recht, erklärten die Rechtsvertreter Nicaraguas vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. »Deutschland verletzt seine Pflicht, Völkermord zu verhindern«, sagte der Botschafter Nicaraguas, Carlos José Arguello Gomez. »Deutschland wusste und weiß, dass zumindest die Gefahr eines Genozids besteht.« 

Deutschland wies die Vorhaltungen »entschieden und umfassend« zurück. »Deutschland verletzt weder die Völkermord-Konvention noch humanitäres Völkerrecht, weder direkt noch indirekt«, sagte die Beauftragte für Völkerrecht im Auswärtigen Amt, Tania von Uslar-Gleichen vor Journalisten in Den Haag. Im Gegenteil: Deutschland sei dem Völkerrecht zutiefst verpflichtet. Die Rechtsvertreterin Deutschlands nannte die Darstellung Nicaraguas »eklatant einseitig.« Deutschland wird seine Position erst am Dienstag vor den 16 Richtern darlegen. Eine Entscheidung wird in etwa zwei Wochen erwartet. 

Auch Israel hatte bereits die Völkermord-Vorwürfe zurückgewiesen. Es beruft sich auf sein Recht zur Selbstverteidigung nach den Massakern der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober. Dabei waren etwa 1 200 Menschen getötet worden. Durch die darauffolgenden Angriffe Israels auf den Gazastreifen wurden nach Angaben der von Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden bereits etwa 33.000 Menschen getötet. 

Rüstungslieferungen für 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt

Nicaragua fordert zunächst im Eilverfahren, dass die Richter den sofortigen Stopp der deutschen Rüstungslieferungen an Israel anordnen. Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr insgesamt Rüstungslieferungen für 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt - zehnmal so viel wie im Vorjahr mit 32,3 Millionen Euro.

Außerdem soll das UN-Gericht Deutschland verpflichten, die Unterstützung für das UN-Hilfswerks für Palästinenser (UNRWA) wieder aufzunehmen. Das Hilfswerk war in die Kritik geraten, weil einigen Mitarbeitern vorgeworfen wird, an dem Massaker beteiligt gewesen zu sein. Nicaragua argumentiert, dass Deutschland durch »politische, finanzielle und militärische Unterstützung« Israels und durch Aussetzung der Mittel für UNRWA einen Genozid ermögliche und seiner Pflicht nicht nachkomme, Völkermord zu verhindern. 

Zweite Völkermordklage vor UN-Gericht im Zusammenhang mit Gaza-Krieg

Es ist die zweite Völkermordklage vor dem UN-Gericht im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg. Diese richtet sich nun zwar nicht direkt gegen Israel, doch könnte der Druck auf das Land und seine Verbündeten zunehmen. Südafrika hatte Israel Ende vergangenen Jahres des Völkermordes an den Palästinensern beschuldigt und im Eilverfahren eine Waffenruhe gefordert. Das tat das Gericht zwar bisher nicht, es ordnete aber an, dass Israel deutlich mehr humanitäre Hilfe zulassen müsse. Zudem müsse die israelische Regierung alles tun, um Völkermord zu verhindern. 

Weder Deutschland noch Nicaragua sind direkt am Krieg beteiligt, haben aber beide die UN-Völkermordkonvention unterzeichnet. Darin verpflichten sie sich, Taten von Völkermord zu verhindern. Nicaragua, das sich auch als Fürsprecher des palästinensischen Volkes sieht, schließt auch Anklagen gegen andere westliche Verbündete wegen Waffenlieferungen nicht aus. Das mittelamerikanische Land unter dem autoritären Präsidenten Daniel Ortega steht allerdings wegen Menschenrechtsverletzungen selbst in der Kritik und geht immer härter gegen eigene Regierungsgegner vor. 

© dpa-infocom, dpa:240408-99-597977/4